Leitsatz (amtlich)

1. Auch und gerade wenn ein annahmewilliger Erbe nicht zu ermitteln ist, darf das Nachlassgericht nicht zugunsten des tätig gewordenen Bestattungsunternehmers anordnen, dass dessen Rechnung von einem Konto des Verstorbenen zu begleichen ist; insbesondere lässt sich eine solche Anordnung in aller Regel nicht auf § 1960 BGB stützen.

2. Eine Beschwerde des später als Erbe festgestellten Fiskus, der die Überschuldung des Nachlasses geltend macht, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses grundsätzlich unzulässig, wenn die Anordnung bereits durchgeführt und das betroffene Kreditinstitut aufgrund weisungsgemäßer Auszahlung an den Bestatter frei geworden ist.

 

Normenkette

BGB § 1960; FamFG § 61

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Beschluss vom 10.11.2009; Aktenzeichen 507 VI 3737/09)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Leipzig - Nachlassgericht - vom 10.11.2009 wird verworfen.

 

Gründe

I. Nachdem alle bekannten gesetzlichen Erben der am 21.9.2009 verstorbenen Erblasserin die Erbschaft ausgeschlagen hatten, hat das Nachlassgericht - nach vorheriger öffentlicher Aufforderung i.S.v. § 1965 Abs. 1 BGB - am 24.2.2010 festgestellt, dass ein anderer Erbe als der Freistaat Sachsen nicht vorhanden ist. Bereits mit Beschluss vom 10.11.2009 hatte es zugunsten des Unternehmers, der die Bestattung der Erblasserin besorgt hatte, angeordnet, dass dessen zwei Rechnungen vom 15.10.2009 über 1.005 EUR und 162,85 EUR "vom Girokonto der Verstorbenen bei der Sparkasse L bzw. vom Bausparkonto bei der O L als Nachlassverbindlichkeit zu begleichen (sind)".

Gegen den letztgenannten Beschluss richtet sich die am 22.3.2010 eingegangene und mit Schriftsatz vom 4.5.2010 aufrechterhaltene Beschwerde des Fiskus. Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat dem Rechtsmittel am 10.5.2010 aus den Gründen ihres Hinweisschreibens vom 30.3.2010 nicht abgeholfen. Am 21.5.2010 hat der Bestattungsunternehmer dem Beschwerdegericht auf telefonische Anfrage mitgeteilt, dass er seine beiden Rechnungen über insgesamt knapp 1.200 EUR bezahlt erhalten habe, und zwar einen kleineren Teil vom Girokonto der Erblasserin bei der Sparkasse, den Rest aus einem gekündigten Bausparguthaben bei der L. Hiermit konfrontiert hat der Beteiligte an seiner Beschwerde festgehalten. Einen konkreten Sachantrag hat er nicht gestellt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. In einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit setzt die Zulässigkeit der Beschwerde grundsätzlich eine (fort-)bestehende, bei fehlender Zulassung wertmäßig ausreichende (§ 61 FamFG) und zu beseitigende Beschwer des Rechtsmittelführers durch die angefochtene Entscheidung voraus. Andernfalls ist das Rechtsmittel mangels Beschwer oder jedenfalls mangels berechtigten Rechtsschutzinteresses unzulässig. So liegt es hier.

Von dem angegriffenen Beschluss gehen, nachdem die in ihm getroffene Anordnung des Nachlassgerichts, die beiden Rechnungen des Bestattungsunternehmers aus Kontoguthaben der Erblasserin zu begleichen, durchgeführt ist und die betroffenen Kreditinstitute aufgrund weisungsgemäßer Auszahlung frei geworden sind (anders bei "eigenmächtiger" Zahlung der Bank an den Nichterben; vgl. hierzu OLG Saarbrücken FamRZ 2001, 1487), keinerlei belastende und zugleich noch aus der Welt zu schaffende Wirkungen mehr aus. Dem Fiskus als gesetzlichem Erben fehlt deshalb das erforderliche Rechtsschutzinteresse an einer beschwerdegerichtlichen Änderung bzw. Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Zudem stellt sich, da übermäßige Bestattungskosten nicht im Raume stehen, seine Vermögenslage wegen § 1968 BGB per Saldo nicht ungünstiger dar, als wenn es die besagte Anordnung des AG nicht gegeben hätte. Der bloße Eingriff in seine Dispositionsbefugnis und der damit verbundene Entzug von Liquidität erschweren es ihm zwar möglicherweise, ein Nachlassinsolvenzverfahren mit Erfolg zu beantragen, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse jetzt fehlen könnte. Handfeste Nachteile für ihn selbst sind damit aber nicht verbunden, haftet er doch gegenüber Nachlassgläubigern in jedem Falle nur mit dem bei Feststellung seines Erbrechts noch vorhandenen Nachlass, §§ 2011, 1964, 1966, 1990 Abs. 1 BGB, § 780 Abs. 2 ZPO. Ob die Beschwerde bei einem Fortsetzungsfeststellungs- antrag gem. § 62 FamFG in zulässiger Weise hätte (fort)geführt werden können, bedarf keiner Entscheidung, weil ein solcher Antrag nicht gestellt worden ist.

2. Unabhängig hiervon merkt der Senat an, dass er in der Sache den Standpunkt des Beschwerdeführers teilt, wonach es für die vom Nachlassgericht getroffene Anordnung keine ausreichende gesetzliche Grundlage gab:

Insbesondere ließ sich die Anordnung nicht auf § 1960 BGB stützen. Bei allem Verständnis für den Wunsch des Bestatters, seinen Aufwand mit Hilfe des Nachlassgerichts tatsächlich vergütet zu erhalten, und für das Bestreben des AG, diese Hilfe nicht zu verweigern, stellt § 1960 Abs. 1 BGB nicht auf das Fürsorgebedürfnis des Nachlassgläubigers (ein solcher ist gegebenenfalls...

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