Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherungsschutz einer Gruppenrestschuldversicherung ist auf die Erstattung der wirtschaftlichen Folgen beschränkt, die dem Darlehensnehmer auch bei Eintritt einer Vollkaskoversicherung für den Schaden verblieben wären. Ob tatsächlich eine solche Vollkaskoversicherung abgeschlossen wurde, ist ohne Belang.
2. Bei der Auslegung von Klauseln einer Gruppenrestschuldversicherung ist nicht auf das Verständnis des Darlehensnehmers, sondern der darlehensgebenden Bank als Versicherungsnehmer abzustellen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 3227/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 4.5.2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage aus einem Gruppenversicherungsvertrag zwischen der S... B... und der Antragsgegnerin, dem er bei Abschluss eines Kfz-Darlehensvertrages beigetreten ist. Am 5.11.2016 kam es zu einem Unfall des versicherten Fahrzeugs, der unstreitig zu einem wirtschaftlichen Totalschaden geführt hat. Die Antragsgegnerin hat auf der Grundlage ihrer Versicherungsbedingungen eine Zahlung in Höhe von 4400,- EUR direkt an den Antragsteller geleistet. Der Antragsteller meint, sie sei ihm darüber hinaus zur Erstattung des gesamten Unfallschadens in Höhe von weiteren 34.223,- EUR verpflichtet. Er sei zu dessen gerichtlicher Geltendmachung auch aktivlegitimiert, weil die Bank ein weiteres Vorgehen gegen die Antragsgegnerin ablehne. Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es fehle an der gebotenen Ermächtigung zur Klagerhebung durch den Rechteinhaber, den bei einer Auslegung des Versicherungsvertrages geschuldeten Betrag habe die Antragsgegnerin überdies bereits beglichen.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Für die beabsichtigte Klage besteht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
1. Das Landgericht hat zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Restschuldgruppenversicherungsvertrag um eine Versicherung für fremde Rechnung handelt und der Antragsteller als versicherte Person im Sinne des § 43 VVG anzusehen ist. Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt jedoch nur dann vor, wenn der Versicherungsnehmer, d.h. vorliegend die darlehensgewährende S... B..., im eigenen Namen ein fremdes Interesse versichert. Hieran bestehen jedoch Zweifel, weil von der Restschuldgruppenversicherung vorwiegend das Kreditinstitut als Darlehensgeber profitiert, das sich durch die Versicherung gegen den Ausfall des eigenen Darlehensrückzahlungsanspruchs gegen den Kreditnehmer absichert. Die Bank als Darlehensgeber und gleichzeitig Versicherungsnehmer der Restschuldversicherung will kein Interesse der versicherten Person versichern; die Verträge dienen vielmehr allein der Absicherung der Kreditverträge und werden auch nur im Zusammenhang mit diesen abgeschlossen. Bei der hier vorliegenden Gruppenversicherung handelt es sich mithin nicht um eine Fremdversicherung (Göbel/Köther, VersR 2015, 425, 426).
2. Ob gleichwohl mit Blick auf die bestehende Darlehensrückzahlungsverpflichtung des Antragstellers und die von ihm behauptete Weigerung der Darlehensgeberin, gegen die Antragsgegnerin aus dem Gruppenversicherungsvertrag vorzugehen, die Aktivlegitimation des Antragstellers für die Verfolgung eines Anspruchs auf Zahlung an die Darlehensgeberin gegeben ist, hat das Landgericht zutreffend dahinstehen lassen. Ein solcher Anspruch besteht nämlich nicht. Das der beabsichtigten Klage zugrunde liegende Verständnis von Inhalt und Absicherung des S...-Gruppenversicherungsvertrages ist auch nach Auffassung des Senat ausgehend vom Verständnishorizont eines verständigen Versicherungsnehmers, der sich die Versicherungsbedingungen aufmerksam durchliest, nicht vertretbar.
a. In den "Allgemeinen Versicherungsbedingungen" der Antragsgegnerin wird unter Nr. 2a zwar der Schutzumfang auf die "wirtschaftlichen Folgen eines Totalschadens" erstreckt. Dass hiermit entgegen der Auffassung des Antragstellers jedoch nicht eine der Vollkaskoversicherung vergleichbare Absicherung erreicht werden soll, wird im Folgenden aber durch Nr. 3b S. 2 ("Die S... Safe Versicherung ersetzt keine Vollkasko- bzw. Teilkaskoversicherung") eindeutig klargestellt. Der Versicherungsschutz wird damit auf eine Ergänzung derjenigen wirtschaftlichen Folgen beschränkt, die dem Darlehensnehmer trotz des Abschlusses einer Voll- bzw. Teilkaskoversicherung im Falle eines Totalschadens verbleiben. Da die Kaskoversicherung bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs grundsätzlich nur den Wiederbeschaffungswert am Tag des Unfalls unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs ersetzt (vgl. etwa A.2.5.1.1 AKB 2019), besteht bei einem Anspruch aus einer Gruppenrestschuldversicherung dieser wirtschaftliche Schaden allein in der Differenz zwischen diesem Wiederbeschaffungswert und dem dem Dar...