Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherungsnehmer trägt in einem Rechtsstreit um die Höhe einer Kaskoentschädigung die Darlegungs- und Beweislast für den Restwert, um den der die Obergrenze der Entschädigung bildende Wiederbeschaffungswert zu vermindern ist.
2. In einem Prozesskostenhilfeverfahren genügt er dieser Darlegungslast regelmäßig jedenfalls durch eine privatgutachterlich untersetzte Behauptung eines Restwerts. Ein Privatgutachten oder eine nähere Begründung dieser Wertansätze kann hier nicht verlangt werden.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 806/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig aufgehoben. Dem Antragsteller wird ratenlose Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt D..., L..., für folgenden Klageantrag bewilligt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.287,15 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % p.a. vom 06.04.2021 bis 25.06.2021 und aus 9.287,15 EUR i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 26.06.2021 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 2.135,40 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 973,66 EUR ab dem 14.08.2021 und aus 1.161,74 EUR ab dem 07.10.2021 zu bezahlen.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt als Versicherungsnehmer Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Leistungen aus einer bei der Antragsgegnerin unterhaltenen Teilkasko-Versicherung i.H.v. 9.287,15 EUR.
Nach seiner Behauptung wurden in den bei der Antragstellerin versicherten BMW 530d, Baujahr 2011 in der Nacht vom 05. zum 06.03.2021 eingebrochen und dabei zahlreiche Teile entwendet. Ein im Auftrag der Antragsgegnerin erstelltes Gutachten weist Reparaturkosten in Höhe von 7.927,31 EUR netto bzw. 9.433,50 EUR brutto sowie einen Wiederbeschaffungswert von 13.000,00 EUR (steuerneutral) aus. Aussagen zum Restwert sind nicht enthalten.
Das Landgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil der Antragsteller für die Höhe des Entschädigungsanspruchs seiner Darlegungslast nicht genügt habe; es fehlten Angaben zum Restwert der Ausgangspunkt der Berechnung des Entschädigungsanspruchs sei. Der sofortigen Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen. Die Antragsgegnerin hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens rechtliches Gehör erhalten.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde vom 3.1.2024 gegen den dem Prozessbevollmächtigten am 11.12.2023 zugestellten Beschluss des Landgerichts vom 28.11.2023 führt zu dessen Abänderung und zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des bedürftigen Antragstellers hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO. Dem Antragsteller könnte ein Entschädigungsanspruch in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zustehen.
1. Zwar kann er den Vollbeweis der Entwendung nicht führen, da er selbst nicht bei dem Diebstahl zugegen war und keine Zeugen hierfür benennen kann. Dem Versicherungsnehmer werden aber im Entwendungsfall Darlegungs- und Beweiserleichterungen eingeräumt, die darauf beruhen, dass ihm in der Regel keine Zeugen für den Nachweis der eigentlichen Entwendungshandlung zur Verfügung stehen. Im Regelfall muss es deshalb genügen, wenn ein - vom Versicherungsnehmer zu beweisender - äußerer Sachverhalt (das "äußere Bild") feststeht, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass versicherte Gegenstände in einer den Versicherungsbedingungen entsprechenden Weise entwendet worden sind (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil v. 05.10.1983, IVa ZR 19/82, VersR 1984, 29). Bei der Kfz-Versicherung ist das äußere Bild eines Diebstahls regelmäßig dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abstellt, an dem er es später nicht wieder vorfindet (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 30.01.2002, IV ZR 263/00 - juris Stiefel/Maier, Kraftfahrversicherung 18. Aufl., AKB A 2.2, Rn. 89 m.w.N.). Diese Beweisregelung gilt entsprechend für die Entwendung von Teilen des abgestellten Fahrzeugs (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.05.2005, 9 U 65/04- juris). Dabei begründet allerdings das Auffinden des Fahrzeugs mit Aufbruchspuren für sich allein noch nicht das äußere Bild der Entwendung, weil solche Beschädigungen auch bei einem vorgetäuschten Diebstahl vorhanden sein können (OLG Hamm, Urteil vom 8. Februar 2012 - I-20 U 172/11 -, Rn. 11 - 12, juris).
Von einem solchen äußeren Bild ist hier für das Prozesskostenhilfeverfahren auszugehen. In dessen Rahmen sind die Erfolgsaussichten anhand des vorgetragenen Sachverhaltes und der angebotenen Beweise lediglich im Wege einer summarischen Prüfung zu beurteilen, die sich sowohl auf die rechtliche als auch auf die tatsächliche Seite, d.h. die Frage der Beweisbarkeit, erstreckt. Dabei ist - was die tatsächliche Ebene betrifft - auch eine Beweisantizip...