Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Umfang der Beiordnung in einem Scheidungsverfahren gem. § 122 Abs. 3 S. 1 BRAGO. Ehescheidung
Leitsatz (redaktionell)
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Scheidungssache erstreckt sich ohne weiteres auf Scheidungsvereinbarungen über die in BRAGO § 122 Abs. 3 S. 1 genannten Gegenstände, ohne dass es eines gesonderten Antrages bedarf, und schließt die Gerichtskostenbefreiung ein.
Normenkette
BRAGO § 122 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Leipzig (Beschluss vom 21.05.1996; Aktenzeichen 24 F 753/95) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Leipzig vom 21. Mai 1996 aufgehoben und festgestellt, daß die der Antragstellerin für das Scheidungsverfahren gewährte Prozeßkostenhilfe die Scheidungsvereinbarung vom 3. April 1996 umfaßt.
Gründe
1. Das Familiengericht hat der Antragstellerin für das Scheidungsverfahren mit Beschluß vom 26.05.1995 (Bl. 17) Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung gewährt. Im Verhandlungstermin vom 03.04.1996 schlossen die Parteien über den Kindesunterhalt, den Ehegattenunterhalt und den Zugewinnausgleich eine Vereinbarung (Vergleich); Verfahren über diese Folgesachen hatten die Parteien nicht anhängig gemacht. Noch im gleichen Termin hat das Familiengericht das Scheidungsurteil verkündet. Danach beantragte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin zu Protokoll, die gewährte Prozeßkostenhilfe auf die Vereinbarung zu erstrecken.
Mit Beschluß vom 21.05.1996 (Bl. 48) hat das Familiengericht der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe für die Vereinbarung vom 03.04.1996 versagt, weil der entsprechende Prozeßkostenhilfeantrag im Termin 03.04.1996 erst nach Abschluß der Vereinbarung und nach Verkündung des Scheidungsurteils, somit verspätet, gestellt worden sei.
Die Antragstellerin hat dagegen Beschwerde eingelegt, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.
2. Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Nach § 122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO erstreckt sich die Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Ehesache von selbst auf den Abschluß eines Vergleichs, der den Ehegatten- und Kindesunterhalt, die elterliche Sorge, die Ehewohnung, den Hausrat und güterrechtliche Ansprüche entspricht. Die Vorschrift soll einen Anreiz zu einverständlichen Scheidungsfolgenregelungen im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens schaffen; deshalb braucht eine entsprechende Folgesache auch nicht anhängig gemacht worden sein (MünchKommZPO/Klauser, § 624 Rdnr. 10). Ebensowenig bedarf es eines gesonderten Prozeßkostenhilfeantrags (OLG Hamburg, FamRZ 1991, 469; Zöllen-Philippi, ZPO 19. Aufl., § 114 Rdnr. 47; Baumbach-Hartmann, ZPO 54. Aufl., § 119 Rdnr. 46; Enders, JurBüro 1995, 393). In der Praxis wird zwar vielfach anders verfahren und vorweg eine Erstreckung der gewährten Prozeßkostenhilfe auf die beabsichtigte Scheidungsvereinbarung für notwendig angesehen (vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1996, 23; Mümmler, JurBüro 1995, 355, 356; Baumbach-Albers, ZPO. 54. Aufl., § 624 Rdnr. 3). Dies widerspricht dem Sinn der gesetzlichen Regelung in § 122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO und erscheint auch wenig sinnvoll, weil gerade bei nicht anhängigen Folgesachen eine Prüfung von deren Erfolgsaussicht ohnehin kaum möglich ist. Im Rahmen von Scheidungsvereinbarungen werden auch häufig nicht justitiable Gesichtspunkte berücksichtigt, die in den persönlichen Beziehungen der Ehegatten begründet sind. Zudem haben Scheidungsvereinbarungen oft (nur) klarstellenden Charakter, was insoweit sogar einem gesetzlichen Erfordernis entsprechen kann, wie sich aus § 630 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 ZPO ergibt. Eine ausdrückliche (Vorgweg-) Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist allenfalls hinsichtlich der für die Vereinbarung (Vergleich) anfallenden Gerichtskosten erforderlich (vgl. Zöllen-Philippi a.a.O.). Nach Auffassung des Senats schließt jedoch die Erweiterung der Prozeßkostenhilfe durch § 122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO die Gerichtskostenbefreiung ein (MünchKommZPO/Klausen a.a.O.).
Nach allem war der Beschwerde stattzugeben. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen