Leitsatz (amtlich)
1. Für die wirksame Zustellung des in einem Sitzungsprotokoll enthaltenen Versäumnisurteils reicht dessen Zustellung aus, wenn die Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle erkennbar wird.
2. Bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an den Prozessbevollmächtigten ist dies regelmäßig der Fall; insbesondere ist es nicht erforderlich, das Versäumnisurteil gesondert aufzuführen.
3. Das Fehlen der erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung hat keinen Einfluss auf den Lauf der Einspruchsfrist.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 400/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.10.2020 wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung den Einspruch des Klägers gegen das am 16.01.2020 erlassene Versäumnisurteil verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zurückgewiesen.
I. Ohne Erfolg wendet die Berufung ein, die Einspruchsfrist habe nicht mit der am 27.01.2020 erfolgten Zustellung des Sitzungsprotokolls an den Klägervertreter begonnen.
1) Das vollständige Versäumnisurteil wurde am 27.01.2020 zugestellt, §§ 339 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB. Das im Sitzungsprotokoll protokollierte Versäumnisurteil weist alle notwendigen Voraussetzungen eines Urteils auf. Es enthält ein volles Rubrum, gemäß § 313 a ZPO. Gemäß § 313 b Abs. 1 ZPO bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht. Es enthält ferner sowohl den Urteilsausspruch selbst gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO als auch die Unterschrift des Richters und den Verkündungsvermerk gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO. Da das Sitzungsprotokoll somit sämtliche für den Erlass des Versäumnisurteils erforderliche Angaben nach § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO enthält, eine schriftliche Abfassung vor Verkündung gemäß § 311 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht erforderlich ist und das Protokoll von der Vorsitzenden Richterin unterschrieben ist, stellt diese Urkunde zugleich die Sitzungsniederschrift und das vollständige Urteil dar (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei § 540 ZPO: BGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - XII ZR 164/03 -, Rn. 10, juris; BGH, Versäumnisurteil vom 08. April 2008 - XI ZR 377/06 -, Rn. 11, m.w.N., juris).
2) Die Zustellung erfolgte gemäß §§ 172, 174 ZPO an den Prozessbevollmächtigten per Empfangsbekenntnis. Die Rechtswirksamkeit einer Zustellung setzt auf Seiten der Geschäftsstelle des Gerichts voraus, dass diese das Schriftstück dem Zustellungsempfänger übersandt hat mit dem Willen, es zuzustellen. Der Zustellungsempfänger muss seinerseits die Zustellungsabsicht des Gerichts erkannt und den Willen haben, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt anzunehmen. Außerdem ist unabdingbar, dass der Zustellungsempfänger den Empfang mit Datum und Unterschrift schriftlich bestätigt (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2000 - XII ZB 211/99 -, Rn. 8 - 9, juris m.w.N.).
a) Dass die Geschäftsstelle den Willen hatte, das Protokoll der mündlichen Verhandlung mit dem dort protokollierten Versäumnisurteil dem Prozessbevollmächtigten des Klägers per Empfangsbekenntnis zuzustellen, ergibt sich aus dem entsprechenden Zustellungsvermerk in den Akten (vgl. Bl. 52 Rückseite d. A).
b) Die Zustellung des Protokolls nebst dem in der Sitzung verkündeten Versäumnisurteil war für den Prozessbevollmächtigten auch erkennbar. Der fehlende Hinweis im vorformulierten Empfangsbekenntnis auf das enthaltene und zuzustellende Versäumnisurteil ändert hieran nichts. § 174 ZPO fordert bereits dem Wortlaut nach keine genaue Aufschlüsselung des Inhalts des zuzustellenden Dokumentes. Eine solche Aufschlüsselung ist auch nicht vom Sinn und Zweck gefordert. Die Zustellung soll lediglich die Bekanntgabe des Dokuments bezwecken, vgl. § 166 Abs. 1 ZPO und damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschaffen. Hierzu muss im Empfangsbekenntnis nicht jede Entscheidung, die im zuzustellenden Dokument enthalten ist, schriftlich vermerkt sein. Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten in der Formulierung des schriftlichen Empfangsbekenntnisses schaden nicht, wenn keine Zweifel daran bestehen können, was gemeint ist (BGH, Urteil vom 18. Mai 1994 - IV ZR 8/94 -, juris; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33...