Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Berücksichtigung von allgemeinen Wasserkosten im Rahme des § 115 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Allgemeine Wasserkosten sind Kosten der Unterkunft i.S.v. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO und fallen nicht unter den Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a) ZPO (entgegen BGH, Beschl. v. 8.1.2010 - VIII ZB 18/06).

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nrn. 2-3

 

Verfahrensgang

AG Aue (Beschluss vom 26.02.2010; Aktenzeichen 1 F 611/09 (VKH))

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Aue vom 26.2.2010, Az.: 1 F 611/09, in Nr. 3 abgeändert:

Die Antragstellerin hat keine Raten zu zahlen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat Verfahrenskostenhilfe beantragt für ihren Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Namensänderung ihrer Tochter.

Die Antragstellerin und ihre 1993 geborene Tochter beziehen Leistungen nach dem SGB II. Für die Wohnung, die die Antragstellerin mit ihrer Tochter bewohnt, zahlt die Antragstellerin eine Kaltmiete von 266 EUR und einen Betriebskostenvorschuss von 154 EUR, davon für Wärme/Heizung 50 EUR, für Warmwasser 16 EUR, Kaltwasser 32 EUR, für sonstige umlagefähige Betriebskosten nach § 2 BetrKostVO 56 EUR.

Mit Beschluss vom 26.2.2010 hat das AG Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten bewilligt und angeordnet, dass die Antragstellerin monatliche Raten i.H.v. 15 EUR zu zahlen hat. An Kosten der Unterkunft und Heizung hat es 372 EUR berücksichtigt und so ein einzusetzendes Einkommen von 48,35 EUR errechnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die die volle Anrechnung der Wohnkosten i.H.v. 420 EUR für richtig hält. Im Nichtabhilfebeschluss vom 14.7.2010, der mit der Beschwerde dem OLG am 15.10.2010 vorgelegt wurde, führt das AG aus, dass die Wohnkosten mit 388 EUR anzusetzen seien, da die Aufwendungen für Kaltwasser aus dem Parteifreibetrag abzudecken seien. Damit summierten sich die berücksichtigungsfähigen Ausgaben einschließlich des Parteifreibetrages auf insgesamt 875 EUR (Wohnkosten 388 EUR; Parteifreibetrag 395 EUR; Kinderfreibetrag [276 - Kindergeld 184 EUR =] 92 EUR). Bei Hartz IV-Leistungen i.H.v. 907,35 EUR verblieben 32,35 EUR einzusetzendes Einkommen.

II. Der Senat entscheidet in voller Besetzung, weil das Verfahren vom Einzelrichter auf den Senat übertragen wurde (§ 76 Abs. 2 FamFG, § 568 ZPO).

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat lediglich ein einzusetzendes Einkommen von 12 EUR, so dass sie gem. § 115 Abs. 2 ZPO keine Raten zu zahlen hat.

Mit dem AG ist davon auszugehen, dass auch der der Antragstellerin nach dem SGB II zugestandene Mehrbedarf für Alleinerziehende i.H.v. 43 EUR voll als Einkommen zu berücksichtigen ist (BGH, Beschl. v. 5.5.2010 - XII ZB 65/10, juris).

Bei den Abzügen für Unterkunft und Heizung ist allerdings auch der in den Nebenkosten enthaltene Betrag für Wasser zu berücksichtigen. Der entgegenstehenden Auffassung des BGH (Beschluss vom 8.1.2008 - VIII ZB 18/06, juris Rz. 8) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der BGH stützt seine Auffassung darauf, dass § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO, wie sich bereits aus Nr. 1 Buchst. a ergebe, an das System der Sozialhilfe anknüpfe und danach die Kosten für Strom und Wasser nicht unter die Leistungen für Unterkunft und Heizung fielen, sondern bereits durch die Leistungen für den Regelbedarf abgedeckt würden. Dies sei in § 20 Abs. 1 SGB II für die Haushaltsenergie ausdrücklich vorgesehen und ergebe sich im Übrigen aus § 2 Abs. 2 Nr. 3 der seinerzeit geltenden Regelsatzverordnung zu § 28 SGB XII.

Entgegen der Auffassung des BGH sind allerdings die Wasserkosten im Regelsatz nicht enthalten. Der Verweis auf § 2 Abs. 2 Nr. 3 RegelsatzVO (i.d.F. geltend ab 1.1.2005) verkennt deren Regelungsgehalt. In der Vorschrift ist geregelt, dass sich der Eckregelsatz aus der Summe von Verbrauchsausgaben zusammensetzt, die sich aus unterschiedlichen Prozentanteilen verschiedener Abteilungen einer vom statistischen Bundesamt erstellten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ergeben. Von der Abteilung 04, die die Überschrift "Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe" trägt, sind nach der Vorschrift 8 % einzurechnen. Die in der Überschrift genannten Gegenstände, auf die sich die Ausgaben dieser Abteilung beziehen, sind somit keineswegs vollständig, sondern nur zu 8 % in den Eckregelsatz eingerechnet. Daraus kann somit kein Rückschluss darauf geschlossen werden, welcher von diesen genannten Gegenständen im Einzelnen abgedeckt werden soll. Dazu bedarf es eines Rückgriffs auf die sozialgesetzlichen Vorschriften. Für Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ist für die Regelleistung auf § 20 SGB II zurückzugreifen. Dort wird ausgeführt, dass die Regelleistung insb. Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch B...

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