Leitsatz (amtlich)
Bei einem Mietvertrag auf bestimmte Zeit mit Verlängerungsklausel ist die Willenserklärung, mit welcher die Vertragspartner die - bei Untätigkeit automatisch eintretende - Vertragsverlängerung verhindern können, nicht als Kündigung im technischen Sinne anzusehen, auch wenn sie im Vertrag als solche - und nicht als "Widerspruch" - bezeichnet wird. Auf diese Willenserklärung ist die Regelung in § 193 BGB anzuwenden (Anschluss an BGH NJW 1975, 40). Die Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1354), wonach § 193 BGB grundsätzlich nicht auf Kündigungsfristen anwendbar ist, findet in diesem Fall keine Anwendung.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 05.06.2013; Aktenzeichen 1 O 575/10) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Endurteil des LG Chemnitz, 1. Zivilkammer, vom 5.6.2013 (1 O 575/10) durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Sie sollte zur Vermeidung weiterer Kosten die Möglichkeit einer Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Der Verhandlungstermin am 19.11.2013 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem inzwischen beendeten Mietverhältnis über Gewerberäume auf dem Grundstück xxx auf Zahlung rückständiger Miete für das Jahr 2010 und auf Betriebskosten-Nachzahlung für das Jahr 2010 in Anspruch.
Die Parteien schlossen am 21./29.12.2002 einen Mietvertrag (Anlage K 1; Original Anlage K 16) über das streitgegenständliche Mietobjekt. Unter § 6 (Mietzeit, Kündigung) enthält der Vertrag in Ziff. 1. folgende Regelung: "Das Mietverhältnis beginnt am 1.2.2003 und endet frühestens am 31.12.2004. Es verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn es nicht mit einer Frist von 7 Monaten auf den 31.12. eines Jahres, erstmals jedoch bis zum 31.5.2004 auf 31.12.2004, gekündigt wird."
Mit undatiertem Schreiben (Anlage K 5 = Anlage B 2), welches er als Einschreiben mit Rückschein am 28.5.2009 zur Post gab (Beleg vom 28.5.2009, Anlage B 3), erklärte der Beklagte die Kündigung des Mietvertrages zum 31.12.2009. Das Schreiben wurde der Klägerin am 2.6.2009, dem Dienstag nach Pfingsten, übergeben (Rückschein vom 2.6.2009, Anlage B 6). Mit Schreiben vom 31.3.2010 (Anlage B 7), welches der Klägerin am 7.4.2010 zuging, erklärte der Beklagte hilfsweise die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Die Rückgabe des Mietobjektes an die Klägerin erfolgte spätestens am 28.6.2010. Am 7.11.2011 erstellte die Klägerin die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2010 (Anlage K 27), nach welcher der Beklagte Nachzahlungen i.H.v. 4.593,51 EUR zu zahlen hat.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe durch die am 2.6.2009 zugegangene Kündigung das Mietverhältnis nicht zum 31.12.2009 beenden können. Die Vorschrift des § 193 BGB sei für den Lauf von Kündigungsfristen nicht anwendbar. Der Beklagte schulde deshalb die Miete für das gesamte Jahr 2010. Im Übrigen hat sie die Rückzahlung des Nachforderungsbetrages aus der Nebenkosten-Abrechnung vom 7.11.2011 begehrt.
Der Beklagte behauptet, er habe schon mit Schreiben vom 7.5.2009 (Anlage B 1) gekündigt, dessen Zugang er allerdings nicht beweisen könne. Eine nochmalige Kündigung vom 30.5.2009 (Anlage B 4) sei durch einen Boten am 31.5.2009 in den Briefkasten der Klägerin in xxx eingeworfen worden. Die Rückgabe der Schlüssel für das Mietobjekt sei schon am 16.4.2010 erfolgt. Die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 sei nicht prüfbar und inhaltlich unrichtig.
Wegen des Sachverhaltes im Übrigen und der in I. Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Bezug genommen.
In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LG am 15.5.2013 war der Beklagte säumig. Das LG verkündete am 5.6.2013 ein Teil-Versäumnis- und Teil-Endurteil. Im Wege des Teil-Versäumnisurteils verurteilte es den Beklagten zur Zahlung von 23.537,09 EUR an die Klägerin, was der Miete für den Zeitraum 01.01. bis 28.6.2010 und dem offenen Restbetrag aus der Heizkostenabrechnung 2008 i.H.v. 332,09 EUR entspricht. In Bezug auf die restliche Miete für das Jahr 2010 sowie in Bezug auf die Betriebskostennachzahlung aus der Abrechnung für das Jahr 2010 wies das LG die Klage mit dem Teil-Endurteil, also im Wege eines unechten Versäumnisurteiles, ab. Zur Begründung dieser Abweisung führte das LG im Wesentlichen aus, der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag sei ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit mit Verlängerungsklausel, so dass die in § 6 Ziff. 1 des Mietvertrages angesprochene Kündigung keine Kündigung im technischen Sinne, sondern nur die Ablehnung eines befristeten Vertragsangebotes sei, auf welche die Vorschrift des § 193 BGB anzuwenden sei. Die am 2.6.2009 der Klägerin zugegangene Kündigung habe deshalb das Mietverhältnis zum 31.12.2009 beenden können. Nach Rückgabe des Mietobjektes an die Klägerin könne diese demzufolge weder die Zahlung von Miete noch die Zahlung von Nutzungsentschädigung verlangen. Den Anspruch au...