Leitsatz (amtlich)
Bei einer auf den Widerspruch gegen einen Lebensversicherungsvertrag gestützten Bereicherungsklage sind auch die Nutzungen auf die vom Versicherer gezogenen Prämien für die Berechnung des Gebührenstreitwerts heranzuziehen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1108/21) |
Tenor
Die Streitwertbeschwerde der Klägerin gegen den im Urteil des Landgerichts vom 22.7.2022 enthaltenen Beschluss wird zurückgewiesen.
Gründe
Die nach § 68 Abs. 2 GKG zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG eingelegte Beschwerde, mit der die Klägerin im Widerspruch zu ihrer ausführlichen Streitwertberechnung in der Klageschrift nunmehr eine Herabsetzung des Gebührenstreitwerts auf 153.285,37 EUR begehrt, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts vom 22.2.2023 Bezug genommen. Die dort zur Begründung herangezogene Entscheidung des BGH (Beschluss vom 19.12.2018 - IV ZB 10/18), die auch der Klägervertreter in der Klagebegründung für den ursprünglich von ihm zugrunde gelegten Wert herangezogen hat, betrifft allerdings nicht den Gebühren,- sondern den Zuständigkeitsstreitwert, auch wenn, wie das LG zutreffend ausführt, der BGH selbst den Gebührenstreitwert in identischer Höhe festgesetzt hat (ebenso wie in BGH, Beschluss vom 6. März 2019 - IV ZR 179/16 -, juris). Ob die vom BGH genannten Gesichtspunkte auf die Festsetzung des Gebührenstreitwerts übertragen werden können, ist in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung umstritten:
Teilweise (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16. November 2022 - 11 W 1/22 -, juris; Beschluss vom 31. August 2022 - 11 W 4/22, juris Rn. 2; OLG Celle, Beschluss vom 4. März 2019, 8 U 275/18, NJW-RR 2019, 807 Rn. 41ff.; OLG Rostock, Beschluss vom 5. März 2021, 4 U 151/20, Rn. 54ff.- juris) wird dies mit der Begründung abgelehnt, im Bereich der Festsetzung des Gebührenstreitwertes gemäß § 63 GKG gehe es nicht um die Gewährleistung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbiete, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren, so dass es hier keinen Grund gebe, vom klaren Wortlaut des Gesetzes abzuweichen, das eindeutig ein Additionsverbot enthalte (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16. November 2022 - 11 W 1/22 -, Rn. 5, juris).
Nach anderer Auffassung ist hingegen bei einer auf § 5a VVG gestützten Bereicherungsklage der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen auch beim Gebührenstreitwert nach den §§ 39ff GKG zu berücksichtigen, schon weil zwischen der Fassung von § 4 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO ("Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden") und § 43 Abs. 1 GKG ("sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt") kein wesentlicher Sinnunterschied zu erkennen sei und das wirtschaftliche Interesse sich in diesen Fällen auch und vor allem auf die Nutzung beziehe (OLG Schleswig, Beschluss vom 9. Dezember 2021 - 16 W 104/21 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Februar 2019, 12 W 1/19, Rn. 11 bei juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 3. April 2019, 8 W 868/19, NJW-RR 2019, 803, Rn. 9ff., 84ff. bei juris).
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an, die auch seiner ständigen Festsetzungspraxis in diesen Bereicherungsfällen entspricht. Die Gegenauffassung übersieht, dass § 43 GKG nach seinem Wortlaut die Einbeziehung von Nutzungen nicht pauschal, sondern nur dann ausschließt, wenn diese "als Nebenforderungen" betroffen sind. Nebenforderung ist der Nutzungsanspruch zwar in der Regel dann, wenn er vom Hauptanspruch rechtlich abhängig ist, was - wie der BGH in der o.a. Entscheidung angeführt hat - bei den "§ 5a-Fällen" nicht einheitlich beurteilt werden kann. Jedenfalls dann, wenn wie im streitgegenständlichen Fall die Nutzungen (140.368,58 EUR) annähernd dem Hauptanspruch (153.285,37 EUR) entsprechen und der Rechtsstreit als Stufenklage geführt wird, bei der die Wertberechnung nach §§ 44, 48 GKG auf der Grundlage einer am Wertinteresse des Klägers orientierten Schätzung erfolgt, sind für diese Schätzung aber nach der Interessenlage der Parteien auch die Nutzungen einzubeziehen, zumal der Kläger selbst die Schätzgrundlage in der Klage mit 285.989,68 EUR angegeben hat.
Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten. Die Beschwerde ist nach § 68 Abs. 3 GKG gebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Fundstellen
Haufe-Index 15668474 |
JurBüro 2023, 264 |
NJ 2023, 270 |