Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von im Rahmen von "5a VVG-Fällen" geltend gemachtem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen bei der Streitwertberechnung - auch für den Gebührenstreitwert
Leitsatz (amtlich)
1. In "5a VVG-Fällen" ist ein in diesem Rahmen geltend gemachter Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen bei der Streitwertberechnung - auch für den Gebührenstreitwert - zu berücksichtigen.
2. Bei der Bemessung des Wertes der Nutzungen haben offensichtlich übertriebene Einschätzungen - namentlich eine unrichtige Berechnung nach Maßgabe der Eigenkapitalrendite des Versicherers - außer Betracht zu bleiben.
Normenkette
GKG §§ 2, 39, 68; VVG § 5a
Tenor
Der Streitwert wird unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses in der Fassung des Beschlusses vom 29. November 2021 und unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen auf 15.415,85 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt nach einem im Jahr 2020 erklärten Widerspruch die Rückabwicklung eines im Jahre 2000 nach dem sog. Policenmodell geschlossenen Lebensversicherungsvertrags, in den er bis zur Beitragsfreistellung im Jahr 2016 11.011,32 EUR eingezahlt hatte.
Mit der im November 2020 eingereichten Klage hat er stufenweise Auskunft über die Verwendung seiner Anteile verlangt und anschließend Rückzahlung seiner Beiträge nebst Nutzungen, welch letztere er mit 22.257,39 EUR hatte berechnen lassen (Anlage DB 1).
Das Landgericht hat die Klage einer für ordnungsgemäß beurteilten Widerspruchsbelehrung insgesamt abgewiesen und mit dem Beschluss vom 9. November 2021 (Bl. 187) den Streitwert auf 9.902,83 EUR (11.011,32 EUR Beiträge abzüglich Risikokosten von 1.108,49 EUR) festgesetzt; Nutzungen, so hat es unter Bezugnahme auf Entscheidungen des OLG Nürnberg, des OLG Celle und des OLG Rostock ausgeführt, seien gemäß § 43 GKG nicht streitwerterhöhend.
Mit ihrer im eigenen Namen eingelegten Streitwertbeschwerde vom 24. November 2021 (Bl. 202) haben die Klägervertreter die Festsetzung des Wertes auf 33.268,71 EUR begehrt und geltend gemacht, für den letztendlich maßgeblichen Leistungsantrag sei auf die Vorstellung des Klägers zu Beginn des Rechtszuges abzustellen.
Mit Teilabhilfebeschluss vom 29. November 2021 (Bl. 207) hat das Landgericht den Streitwert auf 11.011,32 EUR festgesetzt.
II. Die Streitwertbeschwerde hat, nachdem der Einzelrichter das Verfahren gemäß § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO auf den Senat übertragen hat, teilweise weiteren Erfolg, § 32 Abs. 2, 68, 44, 43 GKG.
Der Streitwert war auf 15.415,85 EUR festzusetzen.
Maßgeblich ist, nachdem die Stufenklage insgesamt abgewiesen worden ist, der höhere der verbundenen Ansprüche, § 44 GKG; das ist der Leistungsanspruch, dessen Wert, da er noch nicht feststeht, zu schätzen ist, § 3 ZPO.
1. Verlangt - wie hier - ein Versicherungsnehmer gestützt auf einen Widerspruch nach § 5a VVG a.F. die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages, ist ein in diesem Rahmen geltend gemachter Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen bei der Streitwertberechnung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - IV ZB 10/18 -, Rn. 8ff. bei juris). Das betrifft nach Auffassung des Senates nicht nur den Zuständigkeitsstreitwert nach den §§ 2ff. ZPO, sondern auch den Gebührenstreitwert nach den §§ 39ff. GKG (ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Februar 2019, 12 W 1/19, VersR 2019, 774, Rn. 11 bei juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 3. April 2019, 8 W 868/19, NJW-RR 2019, 803, Rn. 9ff., 84ff. bei juris). Die (vom Landgericht zitierte) Gegenauffassung (OLG Celle, Beschluss vom 4. März 2019, 8 U 275/18, NJW-RR 2019, 807 Rn. 41ff.; OLG Rostock, Beschluss vom 5. März 2021, 4 U 151/20, Rn. 54ff. bei juris), die zwischen dem Zuständigkeitsstreitwert und dem Gebührenstreitwert unterscheiden und bei letzteren Nutzungen unberücksichtigt lassen will, überzeugt den Senat nicht; denn zwischen der Fassung von § 4 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO ("Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden") und § 43 Abs. 1 GKG ("sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt") ist kein wesentlicher Sinnunterschied zu erkennen. Entsprechend hat auch der BGH in der genannten Entscheidung ausweislich des Tenors - und entsprechend der allgemeinen Praxis - den Gebührenstreitwert auf den gleichen Betrag bemessen wie den Zuständigkeitsstreitwert. Das ist in "§ 5a VVG-Fällen" auch sachgerecht; denn das wirtschaftliche Interesse des Versicherungsnehmers, das im Grundsatz (§ 3 ZPO) für die Gebührenberechnung maßgeblich sein soll, betrifft in derartigen Fällen regelmäßig nicht nur die Rückforderung der eingezahlten Beiträge (die er im Wesentlichen auch bei einer Kündigung des Vertrages zurückerhalten würde) sondern auch und vor allem die Herausgabe der Nutzungen, sodass sich auch deswegen gut sagen lässt, dass in diesen Fällen die Nutzungen nicht nur als Nebenforderun...