Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich: Bestimmung der Geringfügigkeit. Ausgleich trotz Geringfügigkeit bei mehreren Anrechten beim gleichen Rententräger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Maßgeblich für die Betrachtung der Geringfügigkeit sind allein die Kapitalwerte der Rentenanwartschaften. Denn nach §§ 5 Abs. 1 VersAusglG, 63, 64 Nr. 1 SGB VI sind Entgeltpunkte maßgebliche Bezugsgröße für die Rentenermittlung (gegen OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.6.2010 - 15 UF 85/10).

2. Auch wenn im Einzelfall ein Ost- oder Westanrecht unter § 18 Abs. 2 VersAusglG fällt, hält der Senat die Durchführung des Versorgungsausgleichs in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens für geboten, wenn beim gleichen Rententräger der Versicherte ein weiteres (Ost- oder West-) Anrecht hat, bei dem der Versorgungsausgleich durchgeführt wird.

 

Normenkette

VersAusglG § 5 Abs. 1, § 18 Abs. 2; SGB 6 § 63; SGB 6 § 64 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Chemnitz (Beschluss vom 09.06.2010; Aktenzeichen 4 F 1111/09)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Chemnitz vom 9.6.2010 (Az.: 4 F 1111/09) unter Ziff. 2 (Versorgungsausgleich) wie folgt abgeändert:

1. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der ..., Versicherungs-Nr ..., zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 0,1326 Entgeltpunkten, bezogen auf den 31.10.2009, übertragen.

2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der ... Versicherungs-Nr ..., zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 0,7914 Entgeltpunkten (Ost), bezogen auf den 31.10.2009, übertragen.

3. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der ..., Versicherungs-Nr ..., zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 0,7648 Entgeltpunkten, bezogen auf den 31.10.2009, übertragen.

4. Der Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der ... i.H.v. ... EUR (Ausgleichswert:... EUR) unterbleibt.

II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Für die 2. Instanz werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Der Verfahrenswert wird für den 2. Rechtszug auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 9.6.2010 hat das AG - Familiengericht - Chemnitz die am 4.12.2000 zwischen Antragstellerin und Antragsgegner geschlossene Ehe auf den am 10.11.2009 zugestellten Scheidungsantrag hin geschieden und dabei von der Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich folgender Anrechte insgesamt abgesehen:

  • Anrechte der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung: 0,2651 Entgeltpunkte, korrespondierender Kapitalwert: 814,82 EUR und 1,5827 Entgeltpunkte (Ost), korrespondierender Kapitalwert: 4.097,65 EUR;
  • Anrecht des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung: 1,5295 Entgeltpunkte, korrespondierender Kapitalwert: 4.699,64 EUR;
  • Anrecht des Antragsgegners bei der Allianz Lebensversicherung AG: 71,65 EUR.

Gegen den ihr am 16.6.2010 zugegangenen Beschluss hat die weitere Beteiligte zu 1 unter dem 22.6.2010, eingegangen am 30.6.2010, Beschwerde eingelegt. Sie meint, der Versorgungsausgleich habe hinsichtlich der Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterbleiben dürfen, da keine Geringfügigkeit vorliege. Die Antragstellerin teilt die Ansicht der weiteren Beteiligten zu 1; der Antragsgegner stellt die wechselseitigen Rentenbeträge gegenüber und meint, es liege sehr wohl Geringfügigkeit vor.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Auf das Verfahren ist das seit 1.9.2009 geltende Recht anzuwenden (Art. 111 Abs. 4 FGG-Reformgesetz, §§ 48 ff. VersAusglG).

2. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 63 Abs. 1, 64 FamFG) hat in der Sache Erfolg. Die weitere Beteiligte zu 1 ist nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt, da sie als Versorgungsträgerin über die ordnungsgemäße Durchführung des Versorgungsausgleichs zu wachen hat.

3. Die Beschwerde ist auch begründet, weil das AG in der angegriffenen Entscheidung hinsichtlich der Anrechte der Beteiligten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Unrecht von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesehen hat.

a) In die Prüfung der Geringfügigkeit nach § 18 Abs. 1 VersAusglG können nur die Entgeltpunkte einbezogen werden, die Antragstellerin und Antragsgegner außerhalb des Beitrittsgebiets erworben haben. Denn Entgeltpunkte und Entgeltpunkte (Ost) sind nicht gleicher Art i.S.d. Vorschrift (§ 120 f. Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Vielmehr handelt es sich bei Entgeltpunkten um regeldynamische, bei Entgeltpunkten (Ost) um angleichungsdynamische Anrechte. Beide unterliegen einer unterschiedlichen Wertentwicklung und können deshalb im Rahmen des § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht miteinander verrechnet werden (s. a. OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2010 - 10 UF 282/08, juris).

Hinsichtlich der Berechnung der Geringfügigkeit i.S.v. § 18 Abs. 3 VersAusglG kann auf die Aufstellung verwiese...

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