Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzhaftung der Großeltern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Ersatzhaftung der Großeltern sind die vom Enkel bezogenen Unterhaltsvorschussleistungen bedarfsdeckend.

2. Verbindlichkeiten der Großeltern, die diese vor Inanspruchnahme durch den Enkel eingegangen sind, mindern in der Regel deren unterhaltsrelevantes Einkommen.

3. Der Selbstbehalt der Großeltern ggü. ihrem Enkel entspricht dem von Kindern ggü. ihren Eltern. Ab 1.7.2005 beträgt er in Sachsen 1.300 EUR zzgl. der hälftigen Differenz zwischen diesem Betrag und dem unterhaltsrelevanten Einkommen.

 

Normenkette

BGB § 1607

 

Verfahrensgang

AG Riesa (Urteil vom 01.07.2005; Aktenzeichen 8 F 0493/04)

 

Tenor

1. Der Beklagten wird rückwirkend ab 14.10.2005 Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt, soweit sie die Herabsetzung der im Endurteil des AG - FamG - Riesa vom 1.7.2005 titulierten Unterhaltsrente

auf 77 EUR in den Monaten August bis Dezember 2004

auf 65 EUR im Monat Januar 2005

auf 77 EUR in den Monaten Februar 2005 bis April 2005

auf 116 EUR in den Monaten Mai und Juni 2005

auf 82 EUR im Monat Juli 2005 und

auf 78 EUR ab August 2005

begehrt.

Der weiter gehende Antrag auf Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

2. Im Umfang der Bewilligung wird der Beklagten Rechtsanwalt A.G., ..., zu den Bedingungen eines in Dresden ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

Eine Pflicht, monatliche Raten auf die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung zu leisten, besteht derzeit nicht.

 

Gründe

I. Der Beklagten konnte Prozesskostenhilfe nur im tenorierten Umfang bewilligt werden, da ihre Berufung gegen das Endurteil des AG - FamG - Riesa vom 1.7.2005 nur in diesem Umfang Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO hat. Der Kläger hat im Zeitraum ab August 2004 gegen seine Großmutter einen Anspruch auf Zahlung von Unterhalt aus §§ 1601, 1607 Abs. 2, 1610 BGB. Für die Inanspruchnahme der Beklagten als nachrangige Unterhaltsverpflichtete ist erforderlich, dass die Durchsetzung und Rechtsverfolgung von Unterhaltsansprüchen gegen die vorrangig Unterhaltsverpflichteten erheblich erschwert ist, beispielsweise wenn absehbar ist, dass die Vollstreckung erfolglos bleiben wird (OLG Hamm ZfE 2005, 249; OLG Braunschweig v. 23.3.2004 - 1 WF 95/04, OLGReport Braunschweig 2004, 593 = FamRZ 2005, 643; OLG Dresden, Urt. v. 14.11.2003 - 10 UF 591/03). Der Senat geht im Rahmen der summarischen Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren davon aus, dass die Durchsetzung der durch Jugendamtsurkunde vom 17.12.2002 titulierten Unterhaltsansprüche i.H.v. 100 % des Regelbetrages gegen seinen Vater mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen durch Beschluss des AG Dresden vom 23.3.2000 (AG Dresden - 558 IN 10939/01) erheblich erschwert ist. Sein Vater hat auf mehrere außergerichtliche Mahnungen Zahlungen auf den durch Jugendamtsurkunde titulierten Unterhalt zu leisten, nicht reagiert. Für die Nichtbeitreibbarkeit der Unterhaltsschulden gegenüber vorrangig verpflichteten Schuldnern muss in der Regel dargelegt und unter Beweis gestellt werden, dass Vollstreckungsversuche fruchtlos verliefen (OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2003 - 10 WF 617/02; Urt. v. 6.2.2003 - 10 UF 771/01; v. 14.11.2003 - 10 UF 591/03). Vollstreckungsversuche hat der Kläger nicht unternommen. Ein Vollstreckungsverbot infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht insoweit nicht, weil streitgegenständlich ausschließlich Unterhaltsansprüche sind, welche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind. Diese gehören nicht zu den Insolvenzforderungen (§ 40 InsO) und können somit unabhängig vom Insolvenzverfahren beigetrieben werden, soweit insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist (OLG Koblenz v. 15.5.2002 - 9 UF 440/01, OLGReport Koblenz 2002, 386 = FamRZ 2003, 109; OLG Celle FamRZ 2003, 1117). Damit verbleibt die Möglichkeit, auf den Differenzbetrag zwischen den Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO und den dem Insolvenzschuldner zu belassenden notwendigen Unterhalt nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO zuzugreifen (§ 30 Abs. 1 InsO).

Im Rahmen der summarischen Prüfung geht der Senat allerdings davon aus, dass Zwangvollstreckungsmaßnahmen ggü. dem Vater des Klägers nicht erfolgversprechend sind und von einer Nichteintreibbarkeit der Forderung ausgegangen werden kann. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch den Landkreis R., welcher Unterhaltsvorschussleistungen an den Kläger erbracht hat und deshalb die Zwangsvollstreckung aus übergegangenem Recht gegen den Vater eingeleitet hat, blieben erfolglos. Auch die Mutter des Klägers kommt als andere barunterhaltspflichtige Verwandte nicht in Betracht, da sie lediglich Erziehungsgeld bezieht. Unstreitig kann auch die Großmutter mütterlicherseits mangels Leistungsfähigkeit nicht zum Unterhalt herangezogen werden.

1. Der Bedarf des Klägers richtet sich nach der von den Eltern abgeleiteten Lebensstellung. Da beide Elternteile nicht leistungsfähig sind, bemisst sich der Bedarf somit nach der niedrigsten Einkommensgruppe der Unterhaltstabelle. Er betrug bis ...

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