Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gutachten aus einem ärztlichen Schlichtungsverfahren kann zur Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs in einem Arzthaftungsstreit führen, wenn es die aufgeworfenen Beweisfragen abschließend beantwortet, die im Schlichtungsverfahren tätigen Gutachter über die erforderliche Sachkunde verfügen und das Gutachten keine inneren Widersprüche aufweist.
2. Liegt ein Schlichtungsgutachten vor, das diesen Anforderungen entspricht, genügt es nicht, wenn der Patient sich pauschal darauf beruft, der Auffassung des Schlichtungsgutachters könne nicht gefolgt werden.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 2985/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 01.11.2021 - 6 O 2985/20 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem Antragsgegner, bei dem er seit 2002 in hausärztlicher Behandlung ist. Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller leidet an zahlreichen Vorerkrankungen (Z.n. Lebertransplantation, Z.n. Plattenepithelkarzinom des Zungengrundes, Diabetes mellitus, Hypertonie...). Er stellte sich am 10.11.2015 beim Kardiologen vor, der bei der Halsgefäßuntersuchung schwere artheriosklerotische Wandveränderungen mit einer geringen Stenosierung der linken Aorta carotis interna feststellte. Der Kardiologe empfahl eine Wiedervorstellung in zwölf Monaten. Der Antragsgegner besprach mit dem Antragsteller am 11.11.2015 den Befund und verordnete ihm entsprechend der Empfehlung des Kardiologen Fluvastatin, das jedoch schon im Dezember 2015 wegen Nebenwirkungen abgesetzt wurde. Bei seiner Vorstellung am 25.07.2016 schilderte der Antragsteller verschwommenes Sehen ohne Doppelbilder, weswegen eine Überweisung zum Augenarzt erfolgte. Am 10.02.2017 stellte sich der Antragsteller unter anderem wegen Schmerzen in der Wirbelsäule und kurzzeitiger unspezifischer Sehstörungen vor und es erfolgte eine erneute Überweisung zum Augenarzt. Der augenärztliche Befund vom 24.02.2017 war unauffällig. Am 10.03.2017 erfolgte eine Vorstellung wegen Rückenschmerzen.
Am Morgen des 12.03.2017 traten beim Kläger kurzzeitig Sehstörungen auf und er konnte das Bein nicht mehr bewegen. Am Nachmittag traten für ca. zehn Minuten Sprachstörungen auf. Die Beschwerden bildeten sich zurück. Gegen 22.30 Uhr traten ein hängender Mundwinkel, verwaschene Sprache auf und er fiel aus dem Bett. Der Notarzt verbrachte den Antragsteller in das ...klinikum ..., wo keine neurologischen Ausfälle dokumentiert wurden. Die bildgebende Diagnostik zeigte keinen Hirninfarkt und keine intrakranielle Blutung. Die weitere Diagnostik ergab einen vollständigen Verschluss der Aorta carotis rechts und eine höchstgradige Abgangsstenose der Aorta carotis links. Es erfolgte notfallmäßig eine Carotis-Operation. Postoperativ wurde im CT des Kopfes ein Hirninfarkt rechts festgestellt.
Prof. Dr. O... erstellte im Schlichtungsverfahren im Auftrag der Sächsischen Landesärztekammer Dresden ein Gutachten und konnte keine fehlerhafte Behandlung feststellen. Er bezeichnete das Auftreten des perioperativen Hirninfarktes als schicksalhaft.
Der Antragsteller meint, der Antragsgegner sei am 25.07.2016 der Verdachtsdiagnose eines Hirninfarktes nicht nachgegangen, nachdem er über Sehstörungen geklagt habe. Dies gelte auch für seine Vorstellungen am 10.02. und am 10.03.2017. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein Verschluss der Arteria carotis und eine höchstgradige Abgangsstenose nicht gesehen worden seien. Hätte der Antragsgegner eine weitere Befunderhebung durchgeführt bzw. veranlasst und eine medikamentöse oder operative Therapie eingeleitet, so wäre es nicht zu dem Mediainfarkt gekommen. Es hätte eine zeitnahe Untersuchung der Halsgefäße durchgeführt werden müssen. Der Antragsteller leide an erheblichen Bewegungseinschränkungen, die Fortbewegung sei nur mit Hilfsmitteln möglich und er sei zu 100 % behindert. Er könne ein Schmerzensgeld von 100.000,00 EUR verlangen.
Der Antragsgegner behauptet, die Behandlung sei lege artis erfolgt. Ein Wiedervorstellungstermin beim Kardiologen nach zwölf Monaten sei schon vereinbart gewesen, weshalb der Antragsteller ihn nicht wahrgenommen habe, wisse er nicht. Die am 25.07.2016 geschilderten Symptome, wie unspezifische Sehstörungen seien nicht wegweisend für eine Stenose der hirnversorgenden Gefäße. Symptome einer Amaurosis fugax (plötzlich auftretende Blindheit) oder andere Symptome, die auf eine cerebrovaskuläre Gefäßerkrankung hingedeutet hätten, habe er nicht geschildert. Dies gelte auch für die Wiedervorstellungen in der Folgezeit. Im Übrigen hätte eine frühere Diagnostik auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt. Der entstandene Hirninfarkt sei eine typische Komplikation der Gefäßoperation.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 01.11.2021 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zurückgewiesen.
Gegen den dem Antragsteller am 16.11.2021 zugestellte...