Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit bei Festsetzung einer Nutzungsvergütung für die Dauer des Getrenntlebens
Leitsatz (amtlich)
Seit der Neufassung des § 1361b BGB durch das Gewaltschutzgesetz sind die FamG auch für die Festsetzung einer Nutzungsvergütung für die Dauer des Getrenntlebens zuständig, da § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nunmehr eine anderen Anspruchsgrundlagen vorrangige Sonderregelung darstellt.
Normenkette
BGB § 1361b Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Leipzig (Aktenzeichen 330 F 3293/04) |
AG Leipzig (Aktenzeichen 103 C 7866/04) |
Tenor
Zuständig ist die Familienabteilung des AG Leipzig.
Gründe
I. Die noch verheirateten Parteien sind Miteigentümer zur Hälfte eines in Leipzig-Miltitz belegenen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Im Januar 2004 verließ die Klägerin das Haus in endgültiger Trennungsabsicht; der Beklagte wechselte die Türschlösser aus und bewohnt das Anwesen seitdem gemeinsam mit der Tochter der Parteien, S., geboren 1986. Das Scheidungsverfahren ist anhängig (AG Leipzig - 330 F 4160/04).
Am 27.7.2004 reichte die antragstellende Ehefrau beim AG - Zivilgericht - Leipzig ein Gesuch um Prozesskostenhilfe ein für eine Klage auf Nutzungsvergütung rückwirkend ab Januar 2004 sowie auf Ausgleich ihrer nach ihrer Behauptung mehr als hälftigen Beteiligung an den zur Finanzierung des Eigenheims aufgenommenen Krediten. Am 7.10.2004 gab die Zivilabteilung des AG Leipzig die Sache an die dortige Familienabteilung ab. Diese verweigerte mit Beschluss vom 3.2.2005 die Übernahme; mit Beschluss vom 7.3.2005 legte das Zivilgericht daraufhin die Sache dem OLG zwecks Bestimmung der Zuständigkeit vor. Der zuerst angerufene 1. Senat leitete die Sache am 13.4.2005 an den gemäß Geschäftsverteilungsplan zuständigen 21. Senat weiter.
II. 1. Der Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung der §§ 36, 37 ZPO steht nicht entgegen, dass die Sache noch nicht rechtshängig ist, denn im Prozesskostenhilfeverfahren ist die Bestimmung des zuständigen Gerichts schon bei tatsächlicher beiderseitiger Kompetenzleugnung möglich (OLG Dresden, Beschl. v. 27.10.1998 - 10 AR 34/98, FamRZ 1999, 110; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 2). Ebenso entscheidet das OLG bei einem Kompetenzkonflikt zwischen der allgemeinen Zivilabteilung und der Familienabteilung desselben AG (OLG Dresden, Beschl. v. 14.12.2000 - 10 ARf 31/00, OLG-NL 2001, 71; OLG Jena OLG-NL 1999, 211).
2. Zuständig ist die Familienabteilung des AG Leipzig.
Bis zur Neufassung des § 1361b BGB durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 (BGBl. I, 3513) war sehr umstritten, ob und auf welcher Grundlage ein aus einem im gemeinsamen Miteigentum stehenden Haus freiwillig und in endgültiger Trennungsabsicht ausgezogener Ehegatte von dem nunmehr das Haus bewohnenden anderen Ehegatten eine Nutzungsvergütung verlangen konnte. Teilweise wurde die Grundlage des Zahlungsanspruchs im Gemeinschaftsrecht gesehen (§ 745 Abs. 2 BGB): Mit der endgültigen Trennung könne jeder Ehegatte eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, die auch darin bestehen könne, dass derjenige, der in dem Haus verbleibt, an den anderen eine angemessene Entschädigung zu zahlen habe (BGH v. 8.5.1996 - XII ZR 254/94, MDR 1996, 933 = FamRZ 1996, 931; KG FamRZ 2000, 304; OLG Naumburg v. 12.10.2000 - 8 UF 52/00, OLGReport Naumburg 2001, 141; OLG Brandenburg v. 29.6.2000 - 9 U 4/00, OLGReport Brandenburg 2001, 71; v. 21.6.2001 - 9 UF 17/00, OLGReport Brandenburg 2001, 467). Teilweise wurde der Anspruch auch auf eine analoge Anwendung des § 1361b BGB gestützt, analog deshalb, weil § 1361b Abs. 2 BGB a.F. eine Vergütung nach Billigkeitsgesichtspunkten nur dann vorsah, wenn ein Ehegatte nach Maßgabe eines (fiktiven) Wohnungszuweisungsverfahrens verpflichtet war, dem anderen die Ehewohnung im gemeinsamen Haus teilweise oder insgesamt zur alleinigen Benutzung zu überlassen (OLG Köln v. 7.10.1991 - 26 W 14/91, FamRZ 1992, 440; OLG Braunschweig FamRZ 1996, 549; OLG Düsseldorf v. 2.11.1998 - 9 U 64/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 34 = FamRZ 1999, 1271). Seit 1.1.2002 formuliert § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nunmehr einen Anspruch auf Nutzungsvergütung, soweit dies der Billigkeit entspricht, wenn einem Ehegatten die Ehewohnung ganz oder zum Teil überlassen wurde; § 1361b Abs. 4 BGB begründet eine unwiderlegliche Vermutung, dass der ausgezogene Ehegatte dem anderen das alleinige Nutzungsrecht überlassen hat, falls er nicht binnen sechs Monaten nach Auszug eine ernstliche Rückkehrabsicht bekundete. Das Gesetz regelt somit nicht mehr nur den Fall, dass ein Ehegatte die Wohnung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung verlassen muss, es klärt auch den Streit um die Anspruchsgrundlage für den Fall, dass ein Ehegatte freiwillig ausgezogen ist: § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB ist nunmehr eine vorrangige Sonderregelung (ebenso: Palandt/Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 1361b Rz. 20 a.E.; Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1361 BGB Rz. 33; Klein, Handbuch Fachanwalt Familie...