Leitsatz (amtlich)
1. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer seine Mitwirkung an der Aufklärung eines Diebstahls von einer vorherigen Zahlung des Versicherers abhängig macht.
2. Ein solches Verhalten stellt sich auch dann als arglistig dar, wenn der Versicherer hiermit Beweisschwierigkeiten vermeiden will, einer betrügerischen Absicht bedarf es nicht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1834/22) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin vom 18.06.2024 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten als Versicherer eines Kraftfahrzeuges (hier: Motorrad BMW R1250 GS, amtl. Kennzeichen: L-xx 000) nach einem behaupteten Diebstahl.
Der Kläger erwarb das Motorrad im April 2021 in Leipzig zu einem Kaufpreis von 22.965,00 Euro als Neufahrzeug. Ausweislich des Übergabeprotokolls vom 23.04.2021 wurden ihm hierbei ein Hauptschlüssel und ein Ersatzschlüssel übergeben (Anlage K3), wobei ein Schlüssel als Hauptschlüssel mit Funkfunktion vorgesehen ist; der zweite Schlüssel funktioniert als Notschlüssel nur über einen Mechanismus am Motorrad (vgl. Anlage B7).
Am 17.10.2021 erstattete der Kläger Anzeige wegen Diebstahls des Motorrads, wobei er angab, dieses am behaupteten Abstellort in L... nicht mehr aufgefunden zu haben; er sei derzeit im Besitz von 2 Schlüsseln (Bl. 4 der Zeugenvernehmung aus der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft, Anlage B8). Seite 4 des Vernehmungsprotokolls enthält eine gesonderte Unterschrift des Klägers. Mit Schreiben vom 18.10.2021 forderte die Beklagte den Kläger u.a. auf, alle in seinem Besitz befindlichen Fahrzeugschlüssel herauszugeben (B2). Diesem Schreiben war zudem ein Fragebogen beigefügt, den der Kläger am 21.10.2021 ausgefüllt und unterschrieben an die Beklagten zurücksandte. Frage 12 nach der Anzahl der bei Erwerb erhaltenen Schlüssel sowie Frage 13 nach der Anzahl bei Verlust des Fahrzeuges beantwortete er jeweils mit "1" (Seite 5, Anlage B3). In dem von ihm unterschriebenen Anzeigeformular findet sich über der Unterschriftzeile eine Belehrung über die Rechtsfolgen der Verletzung der Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Auskunft.
Der Kläger übersandte der Beklagten sodann nur den Hauptschlüssel; bei einer Begutachtung wurde von einem von der Beklagten beauftragten Gutachter am 7.12.2021 moniert, dass ein weiterer Schlüssel nicht vorgelegt sei. Auf Nachfrage der Beklagten räumte der Kläger mit Mail vom 29.03.2022 ein, dass es noch einen Ersatzschlüssel gebe, der aber für das Kofferset noch benötigt werde und erst nach der Schadensregulierung übergeben werden könne (Anlage B5). Am 22.05.2022 übersandte der Prozessbevollmächtige des Klägers den Notschlüssel an die Beklagten. Am 04.07.2022 verweigerte die Beklagte die Schadensregulierung.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.01.2024, auf das wegen der weiteren Feststellungen, Anträge und Begründung Bezug genommen wird, abgewiesen und ausgeführt, dass der Kläger die ihm obliegenden Pflichten nach E.1.1.3 der vereinbarten AKB verletzt habe, weshalb die Beklagte nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG leistungsfrei sei. Der Kläger habe selbst dann, als ihm am 29.03.2022 klar geworden sei, dass die Beklagte auch den Notschlüssel haben wollte, diesen nicht herausgegeben. Dass diese Obliegenheitsverletzung sich auf die Schadensabwicklung nicht ausgewirkt habe, habe der Kläger nicht bewiesen.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung vertritt der Kläger die Ansicht, das Urteil des Landgerichts sei rechtsfehlerhaft, weil ihm eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden könne. Er habe nicht gewusst oder wissen müssen, dass der Notschlüssel zum Starten des Motorrades geeignet sei und habe deshalb irrtümlich die Existenz eines weiteren Schlüssels verneint, weil er angenommen habe, der Notschlüssel gehöre nur zum Kofferset. Nachdem er seinen Irrtum bemerkt habe, habe er habe am 29.03.2022 der Beklagten die Übersendung des anderen Schlüssels angeboten, was diese aber nicht angenommen habe.
Der Kläger beantragt:
Auf die Berufung hin, wird das Urteil des LG Leipzig vom 18.01.24, Az. 03 O 1834/22 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.064,85 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.22 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.375,88 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
II. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO si...