Leitsatz (amtlich)
Die Aufnahme einer Revisionsbegründung durch einen Justizangestellten oder einen Beamten, der Geschäftsstellenaufgaben wahrnimmt, anstelle des zuständigen Rechtspflegers macht die Revisionsbegründung unwirksam und damit unzulässig. In einem solchen Fall ist dem Angeklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ihn selbst kein Verschulden an der formunwirksamen Anbringung der Revisionsbegründung trifft.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Entscheidung vom 26.02.2015; Aktenzeichen 2 Ns 960 Js 4436/14) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 26. Februar 2015 gewährt.
2. Der Angeklagte wird darauf hingewiesen, dass die Frist von einem Monat zur Begründung seiner Revision mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt.
3. Die Sache wird an das Landgericht Chemnitz zurückgegeben.
Gründe
I.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 26. Februar 2015 die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Aue - Zweigstelle Stollberg - vom 6. November 2014 als unbegründet verworfen.
Gegen das Urteil hat der Angeklagte noch am 26. Februar 2015 die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts eingelegt und auch begründet. Das von dem Angeklagten unterzeichnete Protokoll ist dort von der Geschäftsstellenverwalterin aufgenommen worden.
Das schriftliche Urteil ist dem Angeklagten am 8. April 2015 zugestellt worden. Eine weitere Revisionsbegründung ist danach nicht mehr eingegangen.
Das Landgericht hat die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, dem Angeklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
II.
Dem Angeklagten ist gemäß §§ 44, 45 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
Der Angeklagte hätte seine Revision gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO spätestens bis zum 8. Mai 2015 in der Form des § 345 Abs. 2 StPO begründen müssen. Dies hat er versäumt, denn für die Aufnahme einer Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist gemäß § 345 Abs. 2 StPO, § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) RPflG der Rechtspfleger zuständig. Die Aufnahme einer Revisionsbegründung durch einen Justizangestellten oder einen Beamten, der Geschäftsstellenaufgaben wahrnimmt, macht die Revisionsbegründung hingegen unwirksam und damit unzulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl. § 345 Rdn. 19 m.w.N.).
In diesen Fällen kann jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels nicht auf einem Verschulden des Angeklagten, sondern auf einem der Justiz zurechenbaren Fehler beruht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. Juni 2007 - 2 BvR 61/07 -, juris)
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen erscheint jedenfalls im vorliegenden Fall angezeigt, in dem der nicht zuständige Urkundsbeamte nicht nur die Revision, sondern auch schon deren Begründung zu Protokoll aufnimmt. Die Geschäftsstellenverwalterin wäre in Kenntnis dessen, dass der Betroffene bei ihr auch die Revisionsbegründung protokollieren lassen will, gehalten gewesen, auf ihre eigene Unzuständigkeit hinzuweisen und den Betroffenen für die Anbringung der Begründung an den nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) RPflG zuständigen Rechtspfleger zu verweisen.
Den Angeklagten selbst trifft auch kein Verschulden an der formunwirksamen Anbringung der Begründung bei der Geschäftsstelle. Als Außenstehender hat er keinen Einfluss auf die Wahrung der einwandfreien Organisation des Gerichtsbetriebes, so dass dort auftretende Mängel nicht zu seinen Lasten gehen dürfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der nach der Urteilsverkündung ausgehändigten Rechtsmittelbelehrung "StP 133". Darin findet sich zur Form der Revisionsbegründung nur die Formulierung "zu Protokoll der Geschäftsstelle", ohne dass auf die Zuständigkeit des Rechtspflegers hingewiesen wird.
Der Angeklagte hat nunmehr Gelegenheit, binnen eines Monats nach Zustellung dieses Senatsbeschlusses seine Revision zu begründen. Er wird darauf hingewiesen, dass die Begründung nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Chemnitz bei dem dort zuständigen Rechtspfleger erfolgen kann (§ 345 Abs. 2 StPO).
Fundstellen
Haufe-Index 8645145 |
NStZ 2016, 499 |