Leitsatz (amtlich)
1. Auch die medizinische Verlaufsaufklärung muss nur "im Großen und Ganzen" erfolgen. Die Darlegung einzelner Schritte einer Operation zählt hierzu regelmäßig ebenso wenig wie die Größe einer vorgesehenen Prothese.
2. Bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Patient zu einer Einwilligung gedrängt wurde und infolgedessen innerlich nicht mehr frei entscheiden konnte, kann auch eine Einwilligung noch am Operationstag rechtzeitig sein.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 2498/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.11.2023 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 60.000,- EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Die auf Aufklärungsversäumnisse und Behandlungsfehlervorwürfe gestützte Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung der Einstandspflicht hinsichtlich materieller und immaterieller Vergangenheits- und Zukunftsschäden, Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen fehlerhafter Behandlung im Zusammenhang mit der Implantation einer Knietotalendoprothese rechts (im folgenden Knie-TEP) am 27.10.2016 und der Revisionsoperation am 08.02.2017 weder aus Vertrag gem. §§ 630 a, 280, 249, 253 Abs. 2 BGB noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gem. §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB zu.
Die Beklagte haftet der Klägerin nicht unter dem Gesichtspunkt mangelhafter Aufklärung hinsichtlich der Eingriffe (im folgenden A). Zu Recht hat das Landgericht unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten und dessen Erläuterung im Termin zur mündlichen Verhandlung auch eine Haftung der Beklagten wegen einer fehlerhaften Behandlung der Klägerin verneint (im folgenden B).
A. 1. Die Klägerin ist hinsichtlich der am 27.10.2016 durchgeführten Erstoperation durch den Zeugen W... vollständig und ausreichend aufgeklärt worden, wie das Landgericht überzeugend festgestellt hat. Die im Gespräch vom 21.09.2016 erfolgte Aufklärung ist inhaltlich weder hinsichtlich der beim geplanten Eingriff bestehenden Risiken noch bezogen auf die Darstellung des operativen Eingriffs zur Implantation einer Knieprothese oder der konkret bestehenden Behandlungsalternativen zu beanstanden.
Dem Patienten ist durch die vor jedem ärztlichen Eingriff zu erfolgende Aufklärung eine allgemeine Vorstellung von der Art und dem Schweregrad der in Betracht stehenden Behandlung sowie den damit verbundenen Belastungen und Risiken zu vermitteln. Dabei ist über die mit der fehlerfreien medizinischen Behandlung verbundenen und dem Eingriff spezifisch anhaftenden Risiken, die bei ihrer Verwirklichung für die Lebensführung des Patienten von Bedeutung sind (Risikoaufklärung) sowie über die Art der konkreten Behandlung und deren Tragweite aufzuklären (Behandlungsaufklärung). Eine ordnungsgemäße Aufklärung und damit wirksame Einwilligung des Patienten in die Behandlung steht zur Beweislast des Arztes (vgl. nur: BGH, NJW 1992, 2354, 2356). An den dem Arzt obliegenden Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten dürfen jedoch keine unbillig hohen Anforderungen gestellt werden. Dabei kann die ständige Übung und Handhabung der Aufklärung von Patienten ein wichtiges Indiz für eine Aufklärung des Patienten auch im Einzelfall darstellen (vgl. BGH, VersR 1992, 237, 238, juris Tz. 17 m.w.N.; NJW 1986, 2885 f., juris Tz. 7). Auch sollte dann, wenn einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht ist, dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist (BGH, NJW 1985, 1399 ff., juris Tz. 13).
a) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht unter zutreffender Würdigung der Aussage des Zeugen und der Angaben der Klägerin im Verhandlungstermin vom 03.03.2023 die Überzeugung gewonnen, dass der Zeuge die Klägerin in einem Gespräch am 21.09.2016 anhand eines Aufklärungsbogens, den sie zuvor erhalten hat, über die geplante Knieimplantationsoperation ausreichend aufgeklärt hat. Der Zeuge hat angegeben, er habe mit der Klägerin im MVZ ein Aufklärungsgespräch an diesem Tag geführt und während des Gesprächs - seiner generellen Übung entsprechend - handschriftlic...