Leitsatz (amtlich)
Geht die vom Gericht ordnungsgemäß versandte vollstreckbare Ausfertigung dem Gläubiger nicht zu, sondern auf dem Postweg verloren, liegt in der anschließend gewünschten Herstellung und Übersendung einer neuen die Erteilung einer "weiteren" vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 ZPO), für die die Gebühr Nr. 2100 KV GKG zu erheben ist.
Normenkette
ZPO § 733; KV-GKG Nr. 2100
Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 17.06.2009; Aktenzeichen 10 O 3625/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Dresden vom 17.6.2009 abgeändert und die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenansatz des LG Dresden vom 20.5.2008 (Rechnungs-Nr. 821010053743) zurückgewiesen.
Gründe
I. Das LG hat zu Lasten der Klägerin die Gebühr Nr. 2110 KV GKG i.H.v. 15 EUR für die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung des in der Hauptsache erlassenen Versäumnisurteils angesetzt. Die Klägerin meint, diese Gebühr sei nicht entstanden, hilfsweise nicht zu erheben. Der zuständige Einzelrichter des LG hat ihrer Erinnerung abgeholfen und die Beschwerde zugelassen. Die eingelegte Beschwerde der Staatskasse hat ohne Sachprüfung zur Aufhebung und Zurückverweisung an den Einzelrichter des LG geführt (Senatsbeschluss vom 26.5.2009 - 3 W 496/09). Nunmehr hat die vollbesetzte Zivilkammer, nachdem sie das Verfahren auf sich übertragen hatte, den Kostenansatz von Neuem aufgehoben und die Beschwerde zugelassen. Dagegen richtet sich die erneute Beschwerde der Staatskasse, der die Klägerin entgegentritt. Das LG hat dem Rechtsmittel am 31.7.2009 nicht abgeholfen.
II. Die kraft bindender neuerlicher Zulassung statthafte, auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Eine Sachprüfung und -entscheidung ist dem Senat nicht deshalb verwehrt, weil das Erinnerungsgericht bei seiner Entscheidung über die Erinnerung (erneut) nicht ordnungsgemäß besetzt war.
a) Die Kammer als Gesamtspruchkörper wäre zur Entscheidung nur zuständig gewesen, wenn der zuständige Einzelrichter (§ 66 Abs. 6 S. 1 GKG), an den auch die Zurückverweisung erfolgt war, das Verfahren auf das Kollegium übertragen hätte, § 66 Abs. 6 S. 2 GKG. Daran fehlt es, weil nicht der Einzelrichter selbst, sondern die vollbesetzte Kammer mit - den Beteiligten nach Aktenlage zudem nicht bekanntgegebenem - Beschluss vom 29.5.2009 das Verfahren auf sich übertragen hat.
b) Ob § 66 Abs. 6 S. 4 GKG eingreift, ist mindestens zweifelhaft.
Nach dieser Vorschrift kann ein Rechtsmittel nicht auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung gestützt werden. Die Regelung knüpft an den vorangehenden Satz 2 an, wonach der gemäß Satz 1 originär zuständige Einzelrichter das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen der Kammer (oder dem Senat) zu übertragen hat. Darum geht es hier nicht. Möglichen Bedenken, denen nach § 66 Abs. 6 S. 4 GKG nicht nachgegangen werden soll, begegnet nicht die Rechtmäßigkeit einer Übertragungsentscheidung des Einzelrichters. Vielmehr mangelt es gerade an einer solchen und hat die Kammer das Verfahren durch Übertragung auf sich selbst an sich gezogen. In einer solchen Konstellation spricht Überwiegendes für die Unanwendbarkeit der Rügeausschlussregelung (vgl. auch BGH NJW 2003, 1875 zu § 568 S. 3 ZPO, wo sich allerdings die Kammer für originär zuständig hielt und dementsprechend jeglicher Übertragungsbe-schluss fehlte; ähnlich die Konstellation in BGH NJW-RR 2004, 1294).
c) Auch wenn § 66 Abs. 6 S. 4 GKG nicht eingreift, hindert die vorschriftswidrige Besetzung des Erinnerungsgerichts den Senat nicht an einer Sachentscheidung.
Zwar steht das Fehlen einer entsprechenden Verfahrensrüge des Beschwerdeführers nicht der Berücksichtigung des Mangels ordnungsgemäßer Besetzung entgegen. Die Einschränkungen, die insoweit im Rechtsbeschwerdeverfahren gem. §§ 575 Abs. 3 Nr. 3b, 576 Abs. 3, 547 Nr. 1 ZPO gelten, treffen wegen der nach dem Wortlaut nur beschränkten Verweisung unmittelbar schon nicht auf das Verfahren der zugelassenen weiteren Beschwerde gem. § 66 Abs. 4 GKG zu. Keinesfalls sind sie anzuwenden auf das hier gegebene Beschwerdeverfahren gem. § 66 Abs. 2, Abs. 3 GKG, in dem das Beschwerdegericht zu umfassender Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht berufen ist. Umgekehrt gilt damit auf der Rechtsfolgenseite aber mangels Verweisung oder entsprechender Anwendbarkeit auch nicht der Katalog absoluter Beschwerdegründe (§ 547 ZPO), die im Falle ihrer Bejahung in der Regel ohne weiteres die Aufhebung und Zurückverweisung gebieten. Vielmehr stellt das vorliegende Beschwerdeverfahren eine weitere Tatsacheninstanz dar, in der die vorschriftswidrige Besetzung des Vordergerichtes, abweichend von der Regelung des § 538 Abs. 2 S. 1 ZPO für das Berufungsverfahren, ohne weiteres die Aufhebung und Zurückverweisung erlauben mag, jedenfalls aber nicht dazu zwingt. Im Streitfall wiegt der in Rede stehende Verstoß des LG nicht sonderlich schwer. Es wurde lediglich übersehen, dass für die Begründung der Kammerzuständigkeit, anders als bei der Über...