Leitsatz (amtlich)
1. An dem Erfordernis, dass die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für ein Prämienerhöhungsverlangen in der privaten Krankenversicherung die Angabe erfordert, dass die Veränderung eines auslösenden Faktors den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist festzuhalten; der Mitteilung der genauen Höhe oder der Rechnungsgrundlage bedarf es hingegen nicht.
2. Der auslösende Faktor Leistungsausgaben muss in dem Erhöhungsverlangen nicht ausdrücklich genannt werden, es reicht, wenn den Unterlagen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass ein Vergleich der kalkulierten mit den tatsächlich erforderlichen Versicherungsleistungen Erhöhungsgrund war.
3. Eine Beitragserhöhung ist auch bei gesunkenen Leistungsausgaben möglich.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1004/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.09.2022 wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht Ansprüche des Klägers auf Erstattung von gezahlten Prämien wegen Unwirksamkeit der nachfolgend aufgeführten Beitragserhöhungen gem. § 812 BGB verneint:
T43/100 zum 1.1.2012 iHv 2,01 EUR
T43/100 zum 1.1.2017 iHv 2,60 EUR
PS3 zum 1.1.2012 iHv 9,30 EUR
PS3 zum 1.1.2016 iHv 11,10 EUR
PS3 zum 1.1.2017 iHv 16,54 EUR
ASZG zum 1.1.2012 iHv 23,70 EUR
ASZG zum 1.1.2013 iHv 30,85 EUR
ASZG zum 1.1.2015 iHv 34,63 EUR
PS1 zum 1.1.2016 iHv 3,30 EUR.
Die Beitragsanpassung in den Tarifen T43/100 iHv 2,60 EUR und PS3 iHv 16,54 EUR zum 01.01.2017 sind wirksam. Gleiches gilt auch für die Beitragsanpassungen in den Tarifen ASZG iHv 34,63 EUR zum 01.01.2015 und PS1 iHv 3,30 EUR zum 01.01.2016. Diese Prämienerhöhungen erfüllen - noch - die Anforderungen an eine formell wirksame Beitragsanpassungsmitteilung (nachfolgend unter 1.). Ob die weiteren Beitragserhöhungen in den Tarifen T43/100, PS3 und ASZG zum 1.1.2012, PS3 zum 1.1.2016 und ASZG zum 1.1.2013 formell wirksam sind, kann dahinstehen, da jedenfalls die nachfolgenden Beitragserhöhungen in diesen Tarifen wirksam sind. Auch die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Tariferhöhungsverlangen ist nicht veranlasst, da sich aus den gegebenenfalls unwirksamen Erhöhungsverlangen mangels begründeter Zahlungsansprüche keine Rechtsfolgen mehr ergeben können (unter 2.). Entgegen der Ansicht der Berufung sind die Prämienanpassungen auch nicht deshalb unwirksam, weil der auslösende Faktor den gesetzlichen Schwellenwert von 10 % nicht erreicht (unter 3.) und die Prämien trotz gesunkener Leistungsausgaben erhöht wurden (unter 4.).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen und/oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet. Fehlt die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist dieses Erfordernis nicht erfüllt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen oder die Angabe dieses Schwellenwerts selbst daneben nicht mehr entscheidend (BGH, Urteil vom 21.7.2021 - IV ZR 191/20). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er überschritten wird (vgl. hierzu Senat Urteil vom 14.12.2021 - 4 U 1693/21, - juris und Urteil vom...