Leitsatz (amtlich)
1. An dem Erfordernis, dass die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für ein Prämienerhöhungsverlangen in der privaten Krankenversicherung die Angabe erfordert, dass die Veränderung eines auslösenden Faktors den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist festzuhalten; der Mitteilung der genauen Höhe oder der Rechnungsgrundlage bedarf es hingegen nicht.
2. Der auslösende Faktor Leistungsausgaben muss in dem Erhöhungsverlangen nicht ausdrücklich genannt werden, es reicht, wenn den Unterlagen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass ein Vergleich der kalkulierten mit den tatsächlich erforderlichen Versicherungsleistungen Erhöhungsgrund war.
3. Eine Beitragserhöhung ist auch bei gesunkenen Leistungsausgaben möglich.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1784/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.09.2022 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 2.769,82 EUR und den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf bis zu 15.000,00 EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Klage für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung gerichteten Feststellungsantrag grundsätzlich bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - juris).
B. 1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Prämien wegen Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen zu, § 812 BGB.
Ob die Prämienanpassung im Tarif KVE 3 zum 01.01.2015 unwirksam war, kann offen bleiben, im Übrigen sind die Beitragsanpassungen wirksam (a). Die Prämienanpassungen sind nicht deshalb unwirksam, weil der auslösende Faktor den gesetzlichen Schwellenwert von 10 % nicht erreicht (b). Die Beitragsanpassungen sind auch nicht deshalb unwirksam, weil trotz der Reduzierung der Leistungsausgaben die Prämien erhöht wurden (c).
a) Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet. Fehlt die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist dieses Erfordernis nicht erfüllt. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderungen dieser Rechnungsgrundlagen oder die Angabe dieses Schwellenwerts selbst daneben nicht mehr entscheidend (BGH, Urteil vom 21.7.2021 - IV ZR 191/20). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er überschritten wird (vgl. hierzu Urteil Senat vom 14.12.2021 - 4 U 1693/21).
Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechnungsgrundlage des geltenden Schwellenwertes oder die genaue Höhe der Veränderung der Rec...