Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfangsverdacht für eine Vaterschaftsanfechtungsklage
Leitsatz (amtlich)
Eingeschränkte Fertilität, ärztlich attestiert, begründet in Verbindung mit der Weigerung der Mutter, an einem außergerichtlichen Vaterschaftstest mitzuwirken, einen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigenden Anfangsverdacht für eine Vaterschaftsanfechtungsklage.
Normenkette
ZPO § 114; BGB § 1599
Verfahrensgang
AG Leipzig (Beschluss vom 11.08.2005; Aktenzeichen 330 F 0461/05) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des AG Leipzig vom 11.8.2005 aufgehoben.
II. Dem Kläger wird mit Wirkung ab 17.6.2005 Prozesskostenhilfe bewilligt.
Zur Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwalt T.U., ..., beigeordnet.
Zugleich wird angeordnet, dass der Kläger aus seinem Einkommen monatliche Raten von 45 EUR, fällig am ersten Werktag eines Monats, erstmals am 1.11.2005, auf die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung zu zahlen hat.
Gründe
I. Der Kläger erkannte am 15.7.1999 an, Vater der am ... 1999 geborenen Beklagten zu sein. Nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit der Mutter war unter dem Aktenzeichen 330 F 3648/04 beim AG Leipzig ein Prozess anhängig, in dessen Rahmen sich der Kläger am 2.3.2005 durch Vergleich zur Zahlung einer Unterhaltsrente für die Beklagte verpflichtete. Am 9.2.2005 bat der Kläger um Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Anfechtung der Vaterschaft mit der Behauptung, er habe im Sommer 2004 vom Mehrverkehr der Mutter in der gesetzlichen Empfängniszeit (5.9.1998-2.1.1999, § 1600d Abs. 3 BGB) Kenntnis gelangt. Mit Beschluss vom 31.3.2005 versagte das AG die begehrte Prozesskostenhilfe. Der Kläger wechselte den Anwalt, begab sich am 19.4.2005 in urologische Behandlung und erneuerte am 15.6.2005 sein Gesuch um Prozesskostenhilfe mit der Behauptung, er könne nicht Vater der Beklagten sein, denn er sei zeugungsunfähig; außerdem sei die Beklagte in der 36. Schwangerschaftswoche geboren und hätte deshalb nicht voll ausgereift sein dürfen.
Mit Beschluss vom 11.8.2005 wies das AG auch den zweiten Antrag auf Prozesskostenhilfe zurück. Der hiergegen am 8.9.2005 beim AG eingegangenen Beschwerde half es mit hilfsweise auch mit Verfristung begründetem Beschluss vom 28.9.2005 nicht ab. Die Mutter verweigert einen außergerichtlichen Vaterschaftstest. Die Beklagte sei in der 39. Schwangerschaftswoche geboren. Es sei eine Unterstellung, ihr Mehrverkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit anzudichten.
II. Zunächst ist festzuhalten, dass die Ablehnung der begehrten Prozesskostenhilfe durch Beschluss des AG vom 31.3.2005 einer Wiederholung des diesbezüglichen Antrags nicht entgegensteht, da Versagungsbeschlüsse der materiellen Rechtskraft nicht fähig sind (BGH FamRZ 2004, 940) und der neuerliche Antrag auf einen veränderten Lebenssachverhalt gestützt ist.
III. Die in förmlicher Hinsicht (§ 127 Abs. 2 ZPO) Bedenken nicht begegnende Beschwerde ist begründet.
Der Einwand der Verfristung greift nicht. Das Schreiben des Klägers vom 8.4.2003 an das Jugendamt in H. dokumentiert keine die Anfechtungsfrist (§ 1600b Abs. 1 BGB) auslösenden konkretisierten Zweifel des Klägers an seiner Vaterschaft (OLG Brandenburg FamRZ 2004, 280).
Zwar begründet nach Meinung des BGH die Weigerung der Mutter, in einen außergerichtlichen Vaterschaftstest (auf Kosten des Klägers) einzuwilligen, für sich allein keinen eine Anfechtungsklage schlüssig machenden Anfangsverdacht (BGH v. 12.1.2005 - XII ZR 277/03, FamRZ 2005, 340; ähnlich: OLG Köln v. 6.5.2004 - 14 UF 235/03, OLGReport Köln 2004, 283 = FamRZ 2004, 1987; a.A. wohl: OLG Schleswig FamRZ 2005, 1097), ein solches Verhalten soll als Ausfluss des - negativen - informationellen Selbstbestimmungsrechts gedeckt sein. Anders ist dies jedoch in der Zusammenschau mit dem vom Kläger zu den Akten gereichten Spermiogramm des Facharztes für Urologie Dr. med. habil. D.O., L., vom 19.5.2005 zu sehen, welches dem Kläger ungenügende Motilität der Spermien und hochgradig eingeschränkte Fertilität mit der Prognose "Azoospermie" bescheinigt. Natürlich ist auch bei eingeschränkter Zeugungsfähigkeit unter günstigen Umständen eine Befruchtung möglich. Natürlich gilt die Feststellung vom 19.5.2005 nur für den Zeitpunkt der Untersuchung und lässt für sich besehen keinen Rückschluss auf den Beginn der - nach Vortrag des Klägers: zu 95 % - eingeschränkten Zeugungsfähigkeit zu, zumal das Spermiogramm eine Ursache für den pathologischen Befund nicht ausweist. Der Kläger trägt aber vor, dass nach Aussage des Arztes diese eingeschränkte Zeugungsfähigkeit schon längere Zeit besteht. Dies durfte das AG nicht übergehen.
Nach Auffassung des Senats dürfen in Statussachen die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) nicht allzu hoch angesetzt werden. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft zu wecken (BGH v. 22.4.1998 - XII ZR 2...