Leitsatz (amtlich)

1. Die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO kann auch mit der Sachrüge geltend gemacht werden.

2. Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe im Falle der Verwerfung gemäß § 329 Abs. 1 StPO.

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 8. Strafkammer des Landgerichts Dresden vom 05. Januar 2000 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dresden zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Dresden hat den Angeklagten am 12.03.1999 wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen á 15,00 DM verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten ist durch Urteil des Landgerichts Dresden vom 05.01.2000 verworfen worden, weil der Angeklagte zur anberaumten Berufungshauptverhandlung nicht erschienen war. Gegen dieses dem Angeklagten am 14.01.2000 durch Niederlegung zugestellte Urteil wendet sich seine Revision.

Die Staatsanwaltschaft am Oberlandesgericht Dresden hat beantragt, auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Dresden vom 05. Januar 2000 mit den dazugehörigen Feststellungen durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Kammer des Landgerichts Dresden zurückzuverweisen.

II.

Das Rechtsmittel hat nicht mit der Verfahrensrüge, jedoch mit der Sachrüge Erfolg.

1. Das Revisionsvorbringen genügt zunächst nicht den Anforderungen an eine zulässige Verfahrensrüge.

Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen, durch welche Handlung oder Unterlassung das Gericht das Verfahrensrecht fehlerhaft angewendet haben soll.

a) Eine rechtsfehlerhafte Anwendung von § 329 Abs. 1 StPO liegt nach herrschender Meinung dann vor, wenn das Gericht ihm bekannte Umstände zu Unrecht als nicht hinreichend für eine Entschuldigung des Ausbleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung erachtet hat oder Anhaltspunkten für das Vorliegen solcher Umstände entgegen seiner prozessualen Aufklärungspflicht nicht nachgegangen ist.

b) Der Angeklagte trägt zur Begründung seiner Revision, die er aus einer Rüge "der Verletzung des materiellen Rechts" herleitet, lediglich Folgendes vor:

"Der in der Urteilsbegründung ausgewiesenen Tatsache, dass ich ohne genügende Entschuldigung dem Hauptverhandlungstermin ferngeblieben bin, muss ich des Weiteren widersprechen. Ich war an diesem Tag krank und lag mit Bauchschmerzen und Fieber im Bett. Es war mir unmöglich, an diesem Tag das Haus zu verlassen.

Beweis: Einvernahme meiner Lebensgefährtin ...

Einvernahme Frau U S , Fachärztin für Allgemeinmedizin ..."

Diesen Ausführungen ist allein zu entnehmen, aus welchen Gründen das Ausbleiben des Angeklagten entschuldigt gewesen sein soll. Darüber, ob dem Landgericht diese Umstände zum Zeitpunkt der Verwerfung der Berufung bekannt waren, teilt die Revision nichts mit.

c) Auch auf der Grundlage der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die die Anforderungen an die Darstellung einer zulässigen Verfahrensrüge im Falle des Angriffs gegen ein Verwerfungsurteil nach § 329 StPO als im Sinne einer "unsubstanziierten" Verfahrensrüge (vgl. zum Begriff - OLG Saarbrücken, NStZ 91, 147; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, 24. Aufl., § 329 Rdnr. 98) herabgesetzt ansieht, ergibt sich nichts anderes.

Denn auch soweit danach das schlichte Vorbringen für ausreichend erachtet wird, das Ausbleiben des Angeklagten sei durch das Berufungsgericht zu Unrecht als nicht entschuldigt gewertet worden (OLG Bremen NJW 1962, 881; OLG Hamm NJW 1963, 65 f.; OLG Köln StV 1989, 53 (54); OLG Saarbrücken aaO.) wird auch in diesen Fällen - wenn auch zum Teil nur indirekt - gefordert, dass dem Revisionsgericht Tatsachen zur Kenntnis gebracht sind, aus denen sich ergibt, dass das Berufungsgericht § 329 Abs. 1 StPO auf der Grundlage des ihm bekannten Sachverhalts fehlerhaft angewendet hat (OLG Hamm a.a.O.; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997, 275 f.). Es ist in der - in ihrer Begründung uneinheitlichen, dogmatisch unübersichtlichen - Rechtsprechung der Revisionsgerichte lediglich anerkannt, dass sich die den Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen auch allein aus den Gründen des angefochtenen Urteils selbst ergeben können (OLG Köln aaO.; OLG Brandenburg NStZ 96, 249 f.).

Auch dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Landgericht hat im Urteil lediglich formelhaft ausgeführt:

"Der Angeklagte ... ist ... ungeachtet der ... nachgewiesenen Ladung, ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden." [UA S. 2]

Die Wendung "ohne genügende Entschuldigung" lässt nicht erkennen, ob dem Gericht zum Zeitpunkt des Ausspruchs des Verwerfungsurteils eine Entschuldigung des Angeklagten überhaupt nicht vorlag oder ob es diese nur als ungenügend bewertete (ohne sich hiermit in den Urteilsgründen auseinanderzusetzen).

d) Da dem Revisionsvorbringen...

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