Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf Verfahrensgebühr - Übergangsvorschrift
Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 08.06.2009; Aktenzeichen 10 O 3113/08) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Dresden vom 8.6.2009 (10-O-3113/08) geändert.
Die von der Klägerin dem Beklagten nach dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des LG Dresden vom 16.4.2009 zu erstattenden Kosten werden auf 2.635 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.4.2009 festgesetzt.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Wert der Beschwerde: 679,90 EUR.
Gründe
I. Der beklagte Insolvenzverwalter wurde von der Klägerin auf Aus- bzw. Absonderung in Anspruch genommen. Er ist dem allein mit dem Antrag auf Klagabweisung begegnet. Das LG ist letzterem gefolgt und hat die Klägerin zugleich in die Kosten aus einem Wert von 50.000 EUR verurteilt.
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Beklagte eingeräumt, dass sich seine Prozessbevollmächtigten zum Gegenstand der Klage eine 1,3 Geschäftsgebühr verdient haben. Gleichwohl wurden von ihm neben den Kosten der Terminsgebühr und der Auslagenpauschale die einer "vollen" Verfahrensgebühr, so insgesamt 2.635 EUR zur Festsetzung angemeldet (GA 33.f, 36). Die Rechtspflegerin hat nur 1.955,10 EUR zur Erstattung angeordnet, weil, so deren Begründung, nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH zur Verfahrensgebühr nur mit einem Satz von 0,65 zu rechnen sei (GA 39 f.). Dies stellt der Beklagte im Wege der Beschwerde zur Nachprüfung durch den Senat. Es liege auf der Hand, dass die von der Rechtspflegerin bemühte bundesrichterliche Rechtsprechung nicht passe, wenn, wie im Streitfall, der Prozessgegner den Ersatz der vorprozessualen Anwaltskosten nicht schulde (GA 42 f.). Die Klägerin meint, mit den Folgen der BGH-Rechtsprechung müsse jedermann leben (GA 44).
II. Die bei Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 15.6.2009 unter dem 26.6.2009 beim LG zeitgerecht eingelegte, auch im Übrigen zulässige und dem Senat am 6.8.2009 vorgelegte Beschwerde hat Erfolg. Zwar ist der Einwand des Beklagten, gemessen an der Rechtsprechung des BGH, grundlos. Zu seinen Gunsten streitet aber § 15a Abs. 2 RVG, zumal keine der dort genannten Ausnahmen (Begleichung, Titulierung bzw. gerichtliche Geltendmachung der Kosten zur Geschäftsgebühr im selben Verfahren, im Streitfall also per Widerklage) greift.
Die Rechtspflegerin hat am 8.6.2009 entschieden. Dort war der Ansatz einer auf 0,65 ermäßigten Verfahrensgebühr in Ordnung. Es entspricht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BGH, dass die von Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG-VV vorgegebene Ermäßigung der Verfahrensgebühr im Festsetzungsverfahren durchweg beachtlich ist (grundlegend B. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07; im Übrigen vgl. etwa B. v. 14.8.2008 - I ZB 103/07). Die Voraussetzungen dieser Anrechnungsnorm sind im Streitfall erfüllt. Die Geschäftsgebühr ist - zum Gegenstand der späteren Klage - entstanden. Der Beklagte hat dies eingeräumt, die Klägerin hat dieses Vorbringen erkennbar zum eigenen gemacht.
Das führt allerdings (jedenfalls) in den Situationen zu unangemessenen Ergebnissen, in denen der Prozessgegner, mangels passender Anspruchsnorm, die vorprozessual angefallenen Anwaltskosten nicht ersetzen muss. Denn dann wird der Kostenschuldner durch den zusätzlichen und gegebenenfalls höchst kostenträchtigen Auftrag entlastet, den der Kostengläubiger seinem (späteren) Prozessbevollmächtigten erteilt hat. Dass dies ein unverdienter Vorteil ist, liegt nach Ansicht des Senats, die Diktion des Beklagten aufgreifend, auf der Hand. Denn die durch Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV garantierte Begrenzung der beiden Betriebsgebühren auf, bezogen auf den Regel- und den Streitfall, gesamt 1,95 dient nicht dem Schutz des Kostenschuldners, sondern dem des Auftraggebers/Kostengläubigers.
Gleichwohl ist der Senat nach Bekanntwerden des zitierten Entscheids vom 22.1.2008 dem BGH gefolgt. Er hielt dies aus Gründen einheitlicher Rechtsprechung für unerlässlich, zumal sich vertretbarerweise annehmen lässt, das Gesetz sei eindeutig, unbillige Ergebnisse seien demnach hinzunehmen.
Nach jetzt geltendem Recht ist es anders. Am Mittwoch vergangener Woche ist § 15a RVG in Kraft getreten. Nach ihm kann sich die Klägerin auf die behandelte Anrechnungsnorm nicht (mehr) berufen. Dies ist, da zur Zeit seiner Entscheidung geltendes Recht, vom Senat zu beachten. Eine Regelung, die dem Senat vorgibt, das bisherige Recht anzuwenden, findet sich weder im Gesetz vom 23.4.2009 noch im RVG, namentlich nicht in dessen § 60. Dieser behandelt die Vergütung des Anwalts, stellt insofern folgerichtig auf den Auftrag ab, da Anwalt und Auftraggeber berechtigterweise darauf vertrauen, dass das dort geltende Recht das Maß des zu verdienenden bzw. zu zahlenden Honorars bestimmt. Mit der Frage, was ein Dritter ersetzen muss, hat dies nichts gemein. Geregelt ist in § 60 RVG allein das Verhältnis Anwalt/Auftr...