Leitsatz (amtlich)
1. Das Feststellungsinteresse für eine Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers ist auch dann zu bejahen, wenn dieser vorprozessual erklärt hat, bei der "Übernahme etwaiger berechtigter Forderungen" eine Haftungsquote von 75% zugrunde zu legen.
2. Ein Geschädigter, der in der Silvesternacht das Abbrennen von Feuerwerkskörpern durch Gäste einer Silvesterparty beobachtet, muss sich ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er durch den unsachgemäß gezündeten Feuerwerkskörper eines Dritten verletzt wird.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 1 O 153/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert auf 40.000,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden aus dem Schadensereignis vom 01.01.2015 zu ersetzen.
Die Klägerin verbrachte die Silvesternacht vom 31.12.2014 auf den 01.01.2015 in der B ... in M ... Sie begab sich kurz nach Mitternacht über eine Treppe nach draußen, um das von dem Veranstalter in großer Entfernung zum Gebäude veranstaltete Silvesterfeuerwerk zu beobachten. Der Beklagte ging ebenfalls nach draußen, um eine von ihm erworbene Feuerwerksbatterie auf dem Rasen vor der Treppe zu zünden. Auch von anderen Besuchern der Silvesterparty wurden Feuerwerksbatterien gezündet. Eine der Feuerwerksbatterien fiel nach Inbrandsetzung um und die Feuerwerkskörper flogen in Richtung der Menschenmenge. Hierbei wurde das rechte Auge der Klägerin getroffen. Sie erlitt eine Bulbusruptur und hat ihr Sehvermögen auf dem rechten Auge verloren. Die Zeugin B ... wurde ebenfalls von einem Feuerwerkskörper am linken Schultergelenk getroffen. Die Staatsanwaltschaft Görlitz ermittelte gegen den Beklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung (Az.: 160 Js 10482/15). Das Amtsgericht Görlitz lehnte mit Beschluss vom 03.02.2017 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten teilte der Klägerin mit Schreiben vom 06.12.2018 Folgendes mit:
"Mit Wirkung eines Feststellungsurteils vom heutigen Tag bleibt ihrer Mandantin die Geltendmachung von unfallbedingten materiellen und immateriellen Schadensersatzforderungen aus dem Schadensereignis vom 01.01.2015 vorbehalten, soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Bei der Übernahme etwaiger berechtigter Forderungen wird die Haftungsquote von 75 zugrunde gelegt."
Die Klägerin hat behauptet, dass die vom Beklagten aufgestellte Feuerwerksbatterie umgefallen sei und ihre erhebliche Verletzung verursacht habe. Ein Mitverschulden müsse sie sich nicht anrechnen lassen, da sie lediglich aus dem Gebäude getreten sei, um das Feuerwerk des Veranstalters zu sehen und zu filmen. Sie habe nicht bemerkt, dass weitere Besucher in ihrer Nähe Feuerwerkskörper aufgestellt und abgeschossen hätten.
Der Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin von einem Feuerwerkskörper aus seiner Feuerwerksbatterie getroffen worden sei. Zudem müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen.
Das Landgericht hat Zeugen gehört, die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte beigezogen und der Klage mit Urteil vom 19.06.2020 stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er trägt zur Begründung vor, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage in Höhe von 75 % der Haftung habe schon nicht bestanden, denn die Haftpflichtversicherung des Beklagten habe sich verpflichtet, sämtliche materielle und immaterielle Schäden zu 75 % zu ersetzen. Die Erklärung enthalte keinen Vorbehalt. Das Landgericht habe zu Unrecht das Mitverschulden der Klägerin nicht beachtet. Schon aus dem eigenen Sachvortrag müsse sie sich ein Mitverschulden von 33 %, mindestens jedoch 25 % anrechnen lassen. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie den Beklagten mit einer Feuerwerksbatterie gesehen habe, so dass ihr bekannt gewesen sei, dass solche gezündet werden würden. Zudem sei der Beklagte auch nicht der einzige Gast gewesen, der Feuerwerkskörper gezündet habe. Schon in Anbetracht der allgemein bekannten Gefährlichkeit eines Feuerwerkskörpers könne von jedem vernünftig denkenden Menschen verlangt werden, dass er sich und sein Verhalten auf die Risiken einstelle. Wer sich bewusst in die Nähe von Dritten, die Feuerwerkskörper zündeten, geselle und dabei seine Aufmerksamkeit einzig und allein auf einen Punkt richte, ohne das übrige Geschehen um sich herum zu beachten, müsse sich im Fall eines etwaigen Querschlägers ein Mitverschulden entgegenhalten lassen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückz...