Leitsatz (amtlich)
1. Beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern muss ein Platz gewählt werden, von dem aus fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Dabei sind an die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. entzünden, grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen.
2. Tritt an einem in der Nachbarschaft befindlichen Gebäude durch eine fehlgehende Feuerwerksrakete ein Brandschaden ein und war die Gefahr des Eindringens des Feuerwerkskörpers in das Gebäude und eines dadurch ausgelösten Brandes bei aller Sorgfalt nicht erkennbar, haftet derjenige, der die Feuerwerksrakete gezündet hat, mangels Verschulden nicht für den eingetretenen Schaden.
3. Begründet ein erkennbarer Kamin am Nachbargebäude den Anschein, dass dort eine fehlgehende Rakete eindringen und einen Brand verursachen könnte, ohne dass diese Gefahr objektiv besteht, muss der Abstand zum Nachbargebäude wegen dieses Umstandes nicht erhöht werden.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 26.10.2007; Aktenzeichen 4 O 262/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Ulm vom 26.10.2007 - 4 O 262/07, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 417.720,91 EUR
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten gem. § 67 VVG auf sie übergegangene Ersatzansprüche aufgrund eines Brandschadens geltend, den der Beklagte durch das Abfeuern einer Leuchtrakete am 1.1.2006 um 20.21 Uhr verursacht hat.
Der Beklagte hatte vor dem von ihm bewohnten Haus eine Leuchtrakete in einen Schneehaufen gesteckt und gezündet. Die Rakete stieg zunächst ca. 5 Meter gerade nach oben, schwenkte dann zur Seite und drang durch eine Spalte von ca. 67 bis 87 mm Durchmesser zwischen der mit Eternit verkleideten Außenwand und dem Blech-Trapezdach in einer ca. 12 Meter entfernten Scheune ein, in der sie explodierte und innerhalb kürzester Zeit das Gebäude in Brand setzt.
Bezüglich der Einzelheiten des feststehenden Schadenshergangs sowie des Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Ulm vom 26.10.2007 - 4 O 262/07, und Ziff. I der Gründe des Urteils des Senats vom 20.3.2008 (Az. 10 U 219/07) verwiesen.
Nachdem das LG Ulm die Klage abgewiesen hat, hat der Senat mit seinem Urteil vom 20.3.2008 das Urteil des LG Ulm abgeändert und der Klage wegen eines übergegangenen nachbarrechtlichen Ausgleichanspruchs aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog dem Grunde nach stattgegeben und das Verfahren zur Höhe an das LG Ulm zurückverwiesen.
Die dagegen gerichtete Revision des Beklagten hatte insoweit Erfolg, als die Klage abgewiesen wurde, soweit ihr ein übergegangener nachbarrechtlicher Ausgleichanspruchs aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog zugrunde lag. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wurde die Sache im Übrigen zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Teil-Urteil und Urteil des BGH v. 18.9.2009 - V ZR 75/08, verwiesen.
Mit ihrer Berufung hatte die Klägerin zu einem Anspruch aus unerlaubter Handlung vorgetragen:
Für ein Feuerwerk müsse ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Auch wenn die Scheune des Versicherungsnehmers der Klägerin eine Eternitverkleidung der Wände aufwies, sei doch in der Scheune höchst brennbares Material gelagert worden, wodurch im Fall eines Eindringens einer Feuerwerksrakete ein hoher Schaden verursacht werden könne.
Die Feststellung des LG Ulm, die Scheune des Versicherungsnehmers der Klägerin habe in den über Erdgeschoss liegenden Geschossen weder Fenster noch Dachluken aufgewiesen, sei überraschend und unrichtig. Das Scheunengebäude habe an der Nordseite, von wo aus die Rakete abgeschossen worden sei, drei Fenster und zwei Tore aufgewiesen; auf der Ostseite hätten sich ebenfalls eine Tür sowie zwei Fenster befunden, durch welche ohne weiteres eine Rakete habe durchfliegen können. Im Dachbereich hätten sich Entlüftungskamine befunden, die offen gestanden seien und durch die ebenfalls eine Feuerwerksrakete hätte eindringen können. Der Beklagte habe deshalb damit rechnen müssen, dass die Rakete auch dort einschlagen könne, wo man es nicht wolle und auch nicht vermute. Er hätte deshalb nicht in der Nähe der Scheune eine Feuerwerksrakete abzünden dürfen. Wo letztlich die Rakete in die Scheune eingedrungen sei, sei deshalb unerheblich. Es werde bestritten, dass im vorliegenden Fall die Schneemasse, aus der die Rakete gezündet worden sei, ausreichend Halt geboten habe.
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