Leitsatz (amtlich)
Zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch bei Verursachung eines Brandes durch das Abfeuern einer Feuerwerksrakete von einem Nachbargrundstück.
Normenkette
BGB analog § 906 Abs. 2 S. 2; BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 26.10.2007; Aktenzeichen 4 O 262/07) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des LG Ulm vom 26.10.2007 - 4 O 262/07, wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des dem Grunde nach bestehenden nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs der Klägerin an das LG Ulm zurückverwiesen.
Die Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 417.720,91 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten gem. § 67 VVG auf sie übergegangene Ersatzansprüche aufgrund eines Brandschadens geltend, den der Beklagte durch das Abfeuern einer Leuchtrakete am 1.1.2006 um 20.21 Uhr verursacht hat.
Der Beklagte hatte vor dem von ihm bewohnten Haus eine Leuchtrakete in einen Schneehaufen gesteckt und gezündet. Die Rakete stieg zunächst ca. 5 Meter gerade nach oben, schwenkte dann zur Seite und drang durch eine Spalte von ca. 67 bis 87 mm Durchmesser zwischen der mit Eternit verkleideten Außenwand und dem Blech-Trapezdach in einer ca. 12 Meter entfernten Scheune ein, in der sie explodierte und innerhalb kürzester Zeit das Gebäude in Brand setzte.
Bezüglich der Einzelheiten des feststehenden Schadenshergangs sowie des Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Ulm vom 26.10.2007 - 4 O 262/07, verwiesen.
Mit diesem Urteil hat das LG Ulm die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den Schaden des Versicherungsnehmers der Klägerin nicht fahrlässig herbeigeführt. Die ggü. dem Abschussplatz liegende Scheune habe in den über dem Erdgeschoss liegenden Stockwerken weder Fenster noch Dachluken aufgewiesen, aus denen sich eine objektive und erkennbare Gefährdung durch Eindringen einer Rakete ergeben hätte. Die Scheune sei an Wänden und Dach vollständig mit unbrennbarem Material versehen gewesen. Die Spalte, durch die die Rakete in das Gebäudeinnere eingedrungen sei, sei für den Beklagten nicht erkennbar und tatsächlich auch nicht bekannt gewesen.
Das Zünden der Rakete aus einem Schneehaufen begründe eine Fahrlässigkeit des Beklagten nicht, weil nach dem Untersuchungsbericht des kriminaltechnischen Instituts des LKA Baden-Württemberg ein problemloser Start mit annähernd vertikalem Flugverlauf auch aus einem Schneehaufen heraus möglich sei, sofern die Schneemasse ausreichend Halt biete und keine Hindernisse die Flugbahn beeinträchtigten.
Das Abbrennen des Feuerwerkkörpers könne auch keinen Anspruch gem. § 1004, 906 BGB rechtfertigen. Am 1.1. sei zwar das Abbrennen eines Feuerwerks noch zulässig und in allen Städten und Gemeinden üblich. Gegen das Abbrennen einzelner handelsüblicher Raketen in der Silvesternacht und am 1.1. bestehe kein Unterlassungsanspruch, weil ein derartiges Feuerwerk nach Art und Umfang ein übliches Maß nicht überschreite, und damit auch kein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch, auch wenn dabei eine in diesem Tun liegende Gefahr entstehe.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des LG Ulm verwiesen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgt. Für ein Feuerwerk müsse ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Auch wenn die Scheune des Versicherungsnehmers der Klägerin eine Eternitverkleidung der Wände aufgewiesen habe, sei doch in der Scheue höchst brennbares Material gelagert worden, wodurch im Fall eines Eindringens einer Feuerwerksrakete ein hoher Schaden habe verursacht werden können.
Die Feststellung des LG Ulm, die Scheune des Versicherungsnehmers der Klägerin habe in den über dem Erdgeschoss liegenden Geschossen weder Fenster noch Dachluken aufgewiesen, sei überraschend und unrichtig. Das Scheunengebäude habe an der Nordseite, von wo aus die Rakete abgeschossen worden sei, drei Fenster und zwei Tore aufgewiesen; auf der Ostseite hätten sich ebenfalls eine Tür sowie zwei Fenster befunden, durch welche ohne weiteres eine Rakete habe eindringen können. Im Dachbereich hätten sich Entlüftungskamine befunden, die offen gestanden seien und durch die ebenfalls eine Feuerwerksrakete hätte ins Innere gelangen können. Der Beklagte habe deshalb damit rechnen müssen, dass die Rakete auch dort einschlagen könne, wo man es nicht wolle und auch nicht vermute. Er hätte sie deshalb nicht in der Nähe der Scheune zünden dürfen. Wo letztlich die R...