Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einer nur relativ indizierten Operation ist über die Möglichkeit einer abwartenden Behandlung oder des Nichtstuns nur dann aufzuklären, wenn diese mit einem operativen Vorgehen gleichwertig ist, d. h. nicht lediglich der Symptomlinderung, sondern der Bekämpfung des Grundleidens dienst.
2. Nimmt die Berufungsbegründung gegen das eine wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern erhobene Klage abweisende Urteil nur zur Aufklärung Stellung, ist der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens auch dann hierauf beschränkt, wenn zugleich ausgeführt wird, das angefochtene Urteil werde "in vollem Umfang zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt".
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 4 O 1815/14) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung über vermeintliche Behandlungsalternativen.
Er stellte sich am 13.09.2010 bei der Beklagten zu 2. wegen seit ca. 8 Jahren bestehender Rückenschmerzen linksbetont vor. Es lag ein MRT-Befund vom 06.08.2010 vor, u.a. mit der Diagnose Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) (Anlage B 1). Klinisch wurde das Lasègue-Zeichen links positiv bei 20 Grad festgestellt, und dem Kläger wurde Physiotherapie verordnet. Am 25.10.2010 stellte er sich erneut bei der Beklagten zu 2. vor. Es wurde erneut Physiotherapie verordnet, der Röntgenbefund vom 16.09.2010 vom Bereich L5/S1 (Anlage B 5) besprochen und dem Kläger ein Aufklärungsbogen zur stabilisierenden Operation an der Lendenwirbelsäule mitgegeben (Anlage B 6). Zu dem geplanten Injektionstermin am 19.11.2010 erschien der Kläger nicht. Er meldete sich am 16.12.2010 zur Operation an. Am 04.01.2011 wurde ein Aufklärungsgespräch mit der Beklagten zu 2. durchgeführt, dessen Inhalt streitig ist. Am 05.01.2011 wurde der Kläger im Hause der Beklagten zu 1. von der Beklagten zu 2. operiert. Es wurde eine Dekompression des Spinalkanales durchgeführt und die nervalen Strukturen in Höhe L5/S1 entlastet. Am 12.01.2011 wurde der Kläger entlassen. Im Arztbrief vom 11.01.2011 wurde ein langsames, aber sicheres Gangbild und die Möglichkeit eines Zehen- und Hackenstandes beschrieben.
Der Kläger hat vorgetragen, unmittelbar nach der Operation habe er an sehr starken Schmerzen im Rückenbereich gelitten sowie einem Taubheitsgefühl im linken Bein und an einer Fußheberschwäche links. Postoperativ habe sich in der Folgezeit ein Schmerzsyndrom mit erheblichen Funktionseinschränkungen im LWS-Bereich entwickelt. Er meint, der operative Eingriff sei medizinisch nicht indiziert gewesen und darüber hinaus fehlerhaft durch die Beklagte zu 2. durchgeführt worden. Es sei zu einer Duraverletzung und zu einem Lagerungsschaden gekommen. Zudem sei er über Behandlungsalternativen und die Risiken der Operation nicht ausreichend aufgeklärt worden.
Die Beklagte hat behauptet, die Aufklärung sei vollumfänglich und korrekt durchgeführt worden, die Operation sei indiziert und die Behandlung auch im Übrigen dem Facharztstandard entsprechend durchgeführt worden. Das Landgericht hat den Kläger sowie die Beklagte zu 2. informatorisch angehört und die Klage - sachverständig beraten - mit Urteil vom 08.11.2017 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens. Die Annahme des Landgerichts, die konservative Behandlung sei keine echte Behandlungsalternative gewesen, beruhe auf einem Fehlverständnis der gutachterlichen Ausführungen. Zudem bestehe bei einer relativen Indikation stets eine Behandlungsalternative. Nachdem der Kläger die ärztlichen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vorgelegt habe, wäre eine schriftliche Ergänzung oder nochmalige Anhörung des Sachverständigen veranlasst gewesen. Die Leitlinie empfehle eindeutig, die Indikation zur Operation nur restriktiv zu stellen. Die erkennbar widersprüchlichen und unklaren Angaben im Gutachten seien keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung. Im Übrigen fehle es an einer ausreichenden Aufklärung des Klägers über echte Behandlungsalternativen. Der Kläger habe stets betont, sich in Kenntnis aller Behandlungsalternativen für die konservative Behandlung entschieden zu haben. Im Übrigen habe er einen Entscheidungskonflikt plausibel gemacht. Das Landgericht habe verkannt, dass an den Nachweis einer hypothetischen Einwilligung strenge Anforderungen zu stellen seien. Es habe überdies nicht berücksichtigt, dass die Behandlungsdokumentation der Beklagten zu 2. in mehrfacher Hinsicht ihrer Darstellung des Aufklärungsgespräches widerspreche. So habe die Beklagte zu 2. im Rahmen ihrer Anamnese keinerlei Feststellungen zu Art und Umfang der früheren konservativen Behandlung getroffen. Konservative Behandlungsmöglichkeiten seien daher noch nicht ausgesc...