Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt der Patient neben dem Träger eines Krankenhauses auch einen dort beschäftigten Arzt in Anspruch, muss er substantiiert einen Behandlungskontakt behaupten, wenn sich dieser nicht aus den Behandlungsunterlagen ergibt.

2. Steht ein grober Behandlungsfehler fest, ist der Behandler für die Behauptung, der Schade wäre auch bei rechtzeitigem und ausreichendem Handeln in gleicher Weise eingetreten, beweisbelastet. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn der Behandler beweist, dass bei ungehindertem Geschehensablauf das Ergebnis einer rechtzeitigen Befunderhebung erst nach dem tatsächlichen Schadenseintritt (hier: Abortus incipiens) vorgelegen hätte.

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Aktenzeichen 1 O 452/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Verhandlungstermin vom 28.3.2023 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 70.689,70 EUR festzusetzen.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner wegen der behaupteten Verkennung einer Kolpitis und einer verzögerten Befunderhebung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Sie stellte sich am 23.07.2017 in der 13+2 SSW unter Angabe von Unterbauch- und Rückenschmerzen sowie einem vaginalem Blutabgang in der Rettungsstelle der Beklagten vor und wurde mit der Diagnose eines Abortus imminens stationär in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Beklagten zu 5. Aufgenommen. Die am 23.07.2017 erfolgte Blutwertbestimmung ergab einen Leukozytenwert von 13,6 Gpt/l; der CRP Wert wurde nicht bestimmt. Am Vormittag des 26.07.2017 wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen, stellte sich jedoch noch am selben Tag um 22:40 Uhr mit vaginalem Blutabgang und Unterbauchschmerzen erneut in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Beklagten zu 5. vor. Die am 27.07., 30.7. und 31.7.2017 erfolgte Bestimmung der Leukozyten ergab Werte von 15,9 Gpt/l, 20,5 Gpt/| und 17,2 Gpt/l, ein am 30.7.2017 erstmals bestimmter CRP-Wert belief sich auf 33 mg/l, am 31.7.2017 auf 37 mg/l. Ab dem 31.7.2017 erhielt die Klägerin Cefuroxin. Gegen Mittag des 31.07.2017 erlitt sie einen Abortus incompletus. Deshalb erfolgte noch am selben Tag eine Kürettage mit Entlassung am Folgetag; am 06.08.2017 wurde die Klägerin mit erneuten Beschwerden im Klinikum Chemnitz stationär aufgenommen. Dort erfolgte am 06.08.2017 eine Re-Kürettage. Das Landgericht hat sachverständig beraten die auf Befunderhebungsfehler, eine fehlerhafte Risiko- und eine unzureichende therapeutische Aufklärung sowie auf eine behandlungsfehlerhafte Kürettage am 31.7.2017 gestützte Klage abgewiesen. Es wird im Übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin nur noch den Behandlungsfehlervorwurf wegen eines Befunderhebungsfehlers am 30.7.2017 weiter. Aufklärungsfehlervorwürfe und die Behauptung einer fehlerhaften Kürettage hält sie nicht mehr aufrecht. Sie ist der Auffassung, hierin sei ein grober Behandlungsfehler zu sehen, die hieraus folgende Kausalitätsvermutung könnten die Beklagten schon deswegen nicht widerlegen, weil sie bereits ab 26.7.2017 verpflichtet gewesen wären, gezielt nach der Ursache für die ab diesem Tag über dem Grenzwert liegenden Leukozytenwerte zu fahnden. Ein entzündliches Geschehen könne daher zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Eine Beweislastumkehr komme angesichts dessen nicht in Betracht, weil durch die unzureichende Befunderhebung der Klägerin der Beweis abgeschnitten sei, was Ursache der "Leckage der Fruchthülle" gewesen sei. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass der festgestellte grobe Behandlungsfehler nicht zumindest mitursächlich für den Abort gewesen sei.

Sie beantragt,

1. Das Urteil des Landgericht Zwickau wird aufgehoben und die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von EUR 60.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 50.000,00 seit 01.06.2019 sowie aus EUR 10.000,00 seit Rechtshängigkeit.

2. Unter Aufhebung des Urteils des Landgericht Zwickau vom 28.09.2022, Aktenzeichen:...

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