Leitsatz (amtlich)

1. Für die Operation eines "Hallux valgus" bestehen mehrere, im Wesentlichen gleichwertige Operationsverfahren, einen "Goldstandard" gibt es nicht. Entscheidet sich ein Arzt für eines dieser Verfahren, muss er daher den Patienten nicht über Alternativverfahren aufklären.

2. Der pauschale Vorwurf, eine bei einer solchen Operation eingesetzte Platte habe nicht den hygienischen Standards entsprochen, löst keine gesteigerte Darlegungslast der Behandlungsseite aus.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 2609/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.12.2023 wird aufgehoben.

4. Der Streitwert für das Verfahren soll auf 18.750,- EUR festgesetzt werden.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Die auf Aufklärungsversäumnisse und Behandlungsfehlervorwürfe gestützte Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht hinsichtlich materieller und - nicht voraussehbarer - immaterieller Schäden wegen fehlerhafter Behandlung im Zusammenhang mit dem operativen Eingriff am 24.05.2016 zur Korrektur der Hallux Valgus-Fehlstellung am rechten Fuß weder aus Vertrag gem. §§ 630 a, 280, 249, 253 Abs. 2 BGB noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gem. §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB zu. Der Beklagte haftet der Klägerin nicht unter dem Gesichtspunkt mangelhafter Aufklärung hinsichtlich des Eingriffs (im folgenden A). Zu Recht hat das Landgericht unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten und dessen Erläuterung im Termin zur mündlichen Verhandlung auch eine Haftung des Beklagten wegen einer fehlerhaften Behandlung der Klägerin verneint (im folgenden B).

A. Die Klägerin ist hinsichtlich der am 24.05.2016 durchgeführten Operation durch den Zeugen Dr. G... vollständig und ausreichend aufgeklärt worden, wie das Landgericht überzeugend festgestellt hat. Die im Gespräch vom 28.04.2016 erfolgte Aufklärung ist inhaltlich weder hinsichtlich der Darstellung des operativen Eingriffs zur Korrektur der Fehlstellung noch bezogen auf die beim geplanten Eingriff bestehenden Risiken zu beanstanden.

Dem Patienten ist durch die vor jedem ärztlichen Eingriff zu erfolgende Aufklärung eine allgemeine Vorstellung von der Art und dem Schweregrad der in Betracht stehenden Behandlung sowie den damit verbundenen Belastungen und Risiken zu vermitteln. Dabei ist über die Art der konkreten Behandlung und deren Tragweite aufzuklären (Behandlungsaufklärung) sowie über die mit der fehlerfreien medizinischen Behandlung verbundenen und dem Eingriff spezifisch anhaftenden Risiken, die bei ihrer Verwirklichung für die Lebensführung des Patienten von Bedeutung sind (Risikoaufklärung). Er muss über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dazu genügt es, dass der Patient ein allgemeines Bild von der Schwere und dem Risikospektrum erhält (BGH NJW 1992, 2351). Die Aufklärung soll ferner nicht medizinisches Detailwissen vermitteln, sondern dem Patienten eine ergebnisbezogene Entscheidungsgrundlage geben. Der Patient muss "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 29.01.2019 - VI ZR 117/18 -, Rn. 15, m.w.N., juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.07.2013 - 7 U 143/12 -, Rn. 15 - 16, m.w.N. - juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.03.2016 - 5 U 1076/15 -, Rn. 35, juris; Geiß/Greiner, a.a.O., Rn. C 86 m.w.N.). Eine ordnungsgemäße Aufklärung und damit wirksame Einwilligung des Patienten in die Behandlung steht zur Beweislast des Arztes (vgl. nur: BGH, NJW 1992, 2354, 2356). An den dem Arzt obliegenden Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten dürfen jedoch keine unbillig hohen Anforderungen gestellt werden. Dabei kann die ständige Übung und Handhabung der Aufklärung von Patienten ein wichtiges Indiz für eine Aufklärung des Patienten auch im Einzelfall darstellen (vgl. BGH, VersR 1992, 237, 238, juris Tz. 17 m.w.N.; NJW 1986, 2885 f., juris Tz. 7). Auch sollte dann, wenn einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespr...

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