Leitsatz (amtlich)
1. Die Wertung einer objektiv unrichtigen Diagnose als Behandlungsfehler setzt die vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde voraus.
2. Eine unvollständige oder unzureichende Dokumentation führt weder zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs noch rechtfertigt sie den Schluss auf ein für den Patienten positives Beweisergebnis.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 5 O 16/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.02.2021 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert auf 33.743,87 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die am xx.xx.1989 geborene Klägerin stellte sich in der Schwangerschaftswoche 36 + 1 am 30.03.2016 im Hause der Beklagten zu 4) zur Geburtsplanung vor. Am 22.04.2016 wurde sie um 16.40 Uhr wegen Schwindelanfällen und Übelkeit stationär bei der Beklagten zu 4) aufgenommen. Sie erhielt wegen einer leichten Harnstauungsniere eine Infusionstherapie und eine antibiotische Therapie. Am 25.04.2016 wurde die Geburt eingeleitet. Es kam zu einem Geburtsstillstand und es wurde die Indikation zur sectio gestellt. Am Abend des 26.04.2016 wurde sie durch Kaiserschnitt von einem gesunden Jungen entbunden. Am 01.05.2016 wurde eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, bei der keine Auffälligkeiten diagnostiziert wurden und die Klägerin wurde entlassen. Am 06.05.2016 stellte sich die Klägerin bei der Beklagten zu 4) wegen Schmerzen vor. Es wurde erneut eine Sonographie durch die Beklagte zu 2) durchgeführt und als Schmerzmedikation Novamintropfen verordnet. Am 07.05.2016 stellte sie sich mit Fieber erneut vor und wurde stationär aufgenommen. In der Sonographie konnte ein ca. acht Zentimeter großes Hämatom im Zervixbereich festgestellt werden. Am 12.05.2016 erfolgte unter Narkose eine Hämatompunktion, bei der Blut abgesaugt werden konnte. Eine Computertomographie am 13.05.2016 beschreibt ein ca. 6 cm × 10 cm × 8 cm großes abgekapseltes Hämatom. Bei fortgesetzter Antibiose und schmerzlindernder Medikation wurde sie am 17.05.2016 entlassen. Sie wurde bei der Entlassung über die Möglichkeit einer Hämatomausräumung mittels Laparotomie aufgeklärt. Die Kläger entschied sich für ein konservatives Vorgehen. Es wurden weitere Wiedervorstellungstermine vereinbart. Die Klägerin stellte sich am 06.06.2016 im Universitätsklinikum D ... zur Einholung einer Zweitmeinung vor. Dort wurde nach Befunderhebung von einer Hämatomausräumung abgeraten und weiterhin eine abwartende Vorgehensweise empfohlen. Es erfolgte eine ambulante Weiterbehandlung, eine Verbesserung der Symptomatik trat ab Januar 2017 auf.
Die Klägerin hat behauptet, die sectio sei nicht indiziert gewesen und grob fehlerhaft durchgeführt worden. Darüber hinaus sei sie auch nicht über das Risiko einer Hämatomausbildung ausreichend aufgeklärt worden. Die Ultraschalluntersuchungen am 01.05.2016 und 05.06.2016 seien grob fehlerhaft erfolgt. Bei ordnungsgemäßer Durchführung hätten diese einen reaktionspflichtigen Befund erbracht. Die Dokumentation sei nicht ausreichend. Diese Fehler hätten zu Schmerzen, weiteren Behandlungen und Depressionen geführt. Sie habe sich in psychologische Behandlung begeben müssen. Es sei ein Schmerzensgeld von 20.000,00 EUR angemessen. Darüber hinaus seien ihr Haushaltsführungsschaden und weitere Kosten von den Beklagten zu erstatten.
Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin sei schon bei der Vorbesprechung und dann zusätzlich am 26.04.2016 über die Kaiserschnittentbindung und deren Risiken aufgeklärt worden. Im Übrigen sei von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen. Die sectio sei wegen des Geburtsstillstandes, der Erschöpfung der Klägerin und wegen der Größe des Kindes indiziert gewesen. Die Klägerin habe auch nach dem Eingriff keine extremen Schmerzen geschildert. Die Ultraschalluntersuchungen vom 01.05. und 06.05.2016 hätten keine Auffälligkeiten ergeben. Die Bildung des Hämatoms und der lange Heilungsverlauf seien schicksalhaft.
Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K ... eingeholt und die Klage mit Urteil vom 31.07.2020 abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, das Landgericht habe die lückenhafte Befunddokumentation vom 01.05.2016 und die fehlende Befunddokumentation vom 06.05.2016 nicht gewürdigt. Das Übersehen des Hämatoms zu diesen Untersuchungszeitpunkten sei ein fundamentaler Diagnoseirrtum und grob fehlerhaft gewesen. Dies führe zu Beweiserleichterungen zu ihren Gunsten. Mangels Befunddokumentation sei für die Klägerin nicht überprüfbar, ob an den Untersuchungstagen ein unauffälliger Befund vorgelegen habe. Zu Unrecht unterstelle das Landgericht einen solchen Befund. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wäre das Hämatom festzustellen gew...