Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Übertragung der Strafvollstreckung auf das Ausland nach RB-Freiheitstrafe 2008/909/JI, (§§ 85 ff. IRG)
Tenor
Die Vollstreckung des noch nicht verbüßten oder durch Anrechnung von Haftzeiten erledigten Strafrestes der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren einem Monat aus dem Urteil des Landgerichts Görlitz vom 16. September 2015 (Az.: 5 Ns 510 Js 12566/11) in der Republik Polen wird für zulässig erklärt.
Gründe
I.
1. Der Verurteilte ist polnischer Staatsangehöriger. Er wurde am 16. September 2015 vom Landgericht Görlitz wegen versuchten Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren einem Monat verurteilt (Az.: 5 Ns 510 Js 12566/11). Das Urteil ist seit dem 24. September 2015 rechtskräftig. Die Freiheitsstrafe wird nach derzeitiger Berechnung der Staatsanwaltschaft am 14. April 2017 vollständig verbüßt sein.
Die Staatsanwaltschaft Görlitz als Vollstreckungsbehörde erwägt, gemäß § 85 Abs. 1 S. 1 IRG die (weitere) Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses Freiheitsstrafen 2008/909/Ji des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union (ABl. L 327 vom 05. Dezember 2008, S. 27) in der Fassung des Rahmenbeschlusses 2009/299/Ji des Rates vom 26. Februar 2009 der Republik Polen zu übertragen. Hierzu hat sie den Verurteilten, der zuvor auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft bereits von der Vollzugsanstalt befragt worden war, noch einmal persönlich vom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Görlitz am 06. Januar 2016 anhören lassen. Nach Belehrung hat der Verurteilte kein Einverständnis mit seiner Überstellung in sein Heimatland erteilt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat daher auf Anregung der Staatsanwaltschaft Görlitz mit Zuschrift vom 11. Februar 2016 beantragt, die weitere Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe in der Republik Polen für zulässig zu erklären.
2. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Görlitz führt in seiner vorbereitend eingeholten Stellungnahme vom 11. November 2015 aus, dass sich der Verurteilte gut in den Haftalltag der Vollzugsanstalt eingefunden habe; er nehme seit September 2015 mit großem Engagement und großer Selbständigkeit an einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme im Bereich Metall- und Elektrotechnik teil. Seine Arbeitsergebnisse seien sehr gut. Unzureichende Deutschkenntnisse stünden allerdings als Sprachbarriere einer im Übrigen angezeigten Teilnahme an der vollzugsinternen Suchtberatung entgegen, zumal bei dem Verurteilten eine unbehandelte Alkoholproblematik vorliege, die einen dominierenden Kriminalitätsfaktor darstelle.
Regelmäßig Besuch erhalte der Verurteilte von seiner Lebensgefährtin, wohnhaft in M. (Republik Polen). Dort habe der Verurteilte auch seinen Lebensmittelpunkt und werde nach seiner Haftentlassung dorthin zurückkehren. Soziale oder familiäre Bindungen des Verurteilten in die Bundesrepublik Deutschland bestehen nach den Erkenntnissen der Vollstreckungsbehörde dagegen nicht.
3. Für einen Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 23. Juni 2015 (OLGAusl 134/15) ist gegen den Verurteilten zudem Überhaft notiert. Auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts Legnica (Republik Polen) vom 02. Juni 2015 (Az.: III Kop 81/15) hatte er Senat die Auslieferungshaft gegen den Verurteilten angeordnet, weil er vom Amtsgericht Lubin am 20. Dezember 2010 in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war, die noch in einer Höhe von zwei Jahren, acht Monaten und 18 Tagen zu vollstrecken ist.
Dem zu vollstreckenden Urteil des Landgerichts Görlitz ist darüber hinaus zu entnehmen (UA S. 3), dass der Verurteilte in seinem Heimatland zudem die Vollstreckung noch weiterer Haftstrafen von insgesamt sechseinhalb Jahren wegen Straftaten zu gewärtigen hat, die er zeitlich nach dem hier verfahrensgegenständlichen Diebstahlsversuch begangen hat.
II.
Die Übertragung der (weiteren) Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Görlitz vom 16. September 2015 (Az.: 5 Ns 510 Js 12566/11) auf die Republik Polen ist nach Maßgabe des RB-Freiheitsstrafe 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 zulässig, § 85c IRG. Die auf eine bessere Resozialisierung des Verurteilten abzielenden (vgl. RB-Erwägungsgrund Nr. 9) tatbestandlichen Voraussetzungen des Rahmenbeschlusses sind, soweit sie für die gerichtliche Zulässigkeitsprüfung maßgeblich sind, erfüllt, vgl. Art. 3 RB-Freiheitsstrafe.
1. Der Verurteilte ist polnischer Staatsangehöriger und hat seinen Lebensmittelpunkt in der Republik Polen. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft und der zugrundeliegenden Urteile wurde der Verurteilte in der Republik Polen geboren. Er ist lebt dort in M. zusammen mit seiner Lebensgefährtin und zwei gemeinsamen Kindern; eine weitere Tochter stammt aus einer anderen Beziehung. Ande...