Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen einer Gehörsrüge kann nicht der Vorwurf erhoben werden, die angegriffene Entscheidung sei materiell fehlerhaft oder verletzte andere Verfahrensgrundsätze.
2. Eine rügefähige Gehörsverletzung liegt allerdings vor, wenn das Gericht das Vorbringen einer Partei versehentlich überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt, nicht richtig erfasst oder grob missversteht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 02 O 3444/18) |
Tenor
I. Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen das Urteil des Senats vom 11.02.2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung wird verworfen. Auf die Gegenvorstellung wird der vom Senat im Urteil vom 11.02.2020 festgesetzte Streitwert für das Berufungsverfahren abgeändert und auf bis zu 9.605,- EUR festgesetzt.
III. Die Gründe des Urteils vom 11.02.2020 werden unter Ziffer 3 d), drittletzte Zeile, wie folgt berichtigt: ...bei der XXX..."
Gründe
I. Nach § 321 a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Verfahren auf Rüge der durch eine unanfechtbare Entscheidung beschwerten Partei nur dann fortzuführen, wenn geltend gemacht wird, dass das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die hier fristgemäß (§ 321 a Abs. 2 ZPO) eingelegte und begründete Anhörungsrüge der Beklagten ist gemäß § 321 a Abs. 1 Satz 1, Absatz 4 Satz 2 ZPO statthaft. Soweit sie darauf gestützt wird, der Senat habe "den Grundsatz prozessualer Waffengleichheit, das Gebot eines fairen Verfahrens sowie die für die vorsätzliche Darlegungs- und Beweisvereitelungshandlungen geltende höchstrichterliche Rechtsprechung" nicht beachtet, ist die Anhörungsrüge aber bereits unzulässig (1.). Der Vorwurf, der Senat habe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten übergangen, ist indes nicht begründet (2.).
1. Ob eine Gehörsverletzung vorliegt, bestimmt sich grundsätzlich nach denselben Maßstäben wie der verfassungsrechtliche Begriff des Artikels 103 Abs. 1 GG, der sich in einem Mindestschutz erschöpft. Die vermeintliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung wird daher ebenso wenig erfasst wie die behauptete Verletzung anderer Verfahrensgrundsätze (vgl. Senat, Beschl. v. 03.04.2020, Az 4 U 2478/19, Beschl. v. 09.01.2019, Az 4 U 1197/18; Beschl. v. 12.02.2015, Az. 4 U 861/14; OLG Dresden, Beschl. v. 15.10.2012, Az. 1 W 697/12; Beschl. v. 21.02.2013, 1 W 419/12 jeweils m.w.N.). Die von der Beklagten mit den Ausführungen unter 2. a) gerügte vermeintliche Fehlerhaftigkeit des Urteils vermag daher ebenso wenig eine Gehörsverletzung zu begründen wie die unter 2. e) behauptete Nichtberücksichtigung von höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Darlegungs- und Beweisvereitelungen oder die von der Beklagten zitierten weiteren allgemeinen Verfahrensgrundsätze.
2. Eine nach § 321a ZPO rügefähige Gehörsverletzung liegt allerdings vor, wenn das Gericht vor oder bei seiner Entscheidung Vortrag der Partei versehentlich nicht zur Kenntnis nimmt oder das Vorbringen einer Partei nicht erfasst oder grob missversteht (Senat, Beschlüsse vom 09. 01.2019 - 4 U 1197/18 -, juris; vom 25.1.2013 - 4 U 1131/12; vom 26.8.2011, 4 U 188/11; vom 19.2.2009, 4 U 1591/08, vom 27.8.2007, 4 U 1361/06 n.v). Zu Unrecht macht die Anhörungsrüge jedoch geltend, der Senat habe ihr Vorbringen verkannt, die "Ermittlung und Abrechnung der Nettomiete für die Wohnung im 1. OG rechts" setze "die vorherige Erstellung ordnungsgemäßer Betriebskostenabrechnungen für jene Wohnung" voraus. Das Gegenteil ist der Fall, denn mit ebenjenem Einwand gegenüber dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Abrechnung über die Einnahmen dieser Wohnung setzt sich die Entscheidung unter 3 c auseinander. Unzutreffend ist auch die Behauptung, der Senat habe Einwendungen der Beklagten gegenüber dem Auskunftsanspruch verkannt und sei insbesondere unzutreffend von der Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten ausgegangen. Die Entscheidung verhält sich hierzu nicht, wie den Ausführungen unter Ziffer 3 d) zu entnehmen ist. Der Senat hat auch nicht angenommen, dass die im Mietvertrag vom 22.06.2016 enthaltenen Betriebskostenabrechnungsmodalitäten zwischen den Parteien streitig seien. Zu der Frage, ob die Klägerin "eine Abrechnung von der Beklagten für die Wohnung 1. OG rechts im Zeitraum 2016/2017 geleistete Betriebskostenvorauszahlungen verweigert" habe, verhält sich die Entscheidung nicht, so dass der Senat dies auch nicht unzutreffend als streitig angenommen hat. Schließlich hat der Senat bei der Feststellung, dass die Beklagte selbst keine Abrechnung erbringe, keinen - unstreitigen - Vortrag der Beklagten zu Handlungen der Klägerin übergangen, sondern den hierzu gehaltenen Tatsachenvortrag der Beklagten als zumindest derzeit nicht entscheidungserheblich für die Frage des klägerseits geltend gemachten Auskunftsanspruches angesehen, wie den Entscheidungsgründen unter Ziffer 3 c) und d) entnommen werden kann, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug geno...