Leitsatz (amtlich)
1. Allein aus einem Sturzereignis lässt sich bei einer Blutalkoholkonzentration unterhalb von zwei Promille noch nicht auf eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung schließen, maßgebend ist vielmehr eine fallbezogene Betrachtungsweise der Gesamtumstände.
2. Verneint der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung Fragen zum Alkoholkonsum des Versicherten, für den er Leistungen beansprucht, ohne sich vorher diesbezüglich zu erkundigen, kann dies als Behauptung "in Blaue hinein" eine vorsätzlich Obliegenheitsverletzung darstellen.
3. Für eine arglistige Täuschung kommt es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer bei Antragstellung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung hinreichend belehrt wurde.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 295/22) |
Tenor
D1. er Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.04.2024 wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren auf 25.704,- EUR festzusetzen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung wegen eines behaupteten Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau, in dessen Folge sie eine inkomplette Querschnittslähmung erlitt.
Zwischen den Parteien bestand ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUB 2000) zugrunde lagen.
In Ziff. 5 der AUB 2000 heißt es:
"5.1 Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:
5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen ..."
Am 02.05.2021 stürzte die zum damaligen Zeitpunkt 65-jährige Ehefrau des Klägers gegen 01:00 Uhr nach einer Familienfeier in der Häuslichkeit. Der Notarzt, der ihren Transport ins Krankenhaus veranlasste, hielt im Einsatzprotokoll unter "Erstdiagnose" fest, die Versicherte habe eine "Synkope" erlitten. Bei der nachfolgenden Krankenhausbehandlung wurde in einem Laborbericht für den 02.05.2021 um 02:25 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,17 Promille festgestellt. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 06.05.2021 habe die Ehefrau angegeben, dass sie "ca. 1 Uhr nach einer kleinen Feier im Rahmen der Familie zusammengerutscht sei".
Der Kläger zeigte den Schadensfall am 07.05.2021 an. In einer auf den 14.05.2021 datierten, vom Kläger zusammen mit einem Versicherungsvertreter der Beklagten ausgefüllten Schadensanzeige findet sich folgende handschriftliche Schilderung des Unfallhergangs:
"Sturz in der Wohnstube, bedingt durch im Weg stehende Haus-Pantoletten. Frau K...... hatte bereits das Licht gelöscht um ins Bett zu gehen."
Unter "4. Zeugen" wird "keine" ausgeführt, die weitere Frage "Wenn niemand zugegen war, wer hat den Verletzten zuerst nach dem Unfall gesehen?" wird die Tochter I...... K...... benannt.
Unter "5. Begleitumstände" hat der Kläger bei den Fragen "Hat die verletzte Person in den letzten 24 Stunden vor dem Unfall Alkohol zu sich genommen?" und "Wurde eine Blutprobe entnommen?" jeweils das Kästchen "Nein" angekreuzt.
Unter "Wichtige Hinweise" auf der zweiten Seite des Schadensformulars findet sich oberhalb der Unterschriftszeile der fettgedruckte Hinweis:
"Außerdem beachten Sie bitte die Hinweise über die Folgen von Obliegenheitsverletzungen in dem beigefügten Merkblatt HUK19. Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben können Ihren Versicherungsschutz gefährden. Durch meine Unterschrift bestätige ich ausdrücklich die Richtigkeit und Vollständigkeit meiner vorstehenden Angaben."
Die Schadensanzeige hat der Kläger unterschrieben.
In einem Entlassungsbericht des nachbehandelnden Krankenhauses R...... vom 11.06.2021 wird unter Anamnese u.a. ausgeführt: "Die Patientin sei am 02.05.2021 um 01:00 Uhr morgens nach einer Familienfeier, zu der sie auf ihren Geburtstag und Renteneintritt angestoßen habe, gestürzt und nach vorne übergekippt..."
Mit Schreiben vom 29.07.2021 lehnte die Beklagte den Leistungseintritt mit der Begründung ab, dass es sich bei der Unfallursache "Synkope" um eine nach den Versicherungsbedingungen ausgeschlossene Bewusstseinsstörung handele bzw. die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit wesentlich herabgesetzt gewesen sei.
Die Ehefrau des Klägers bat mit Schreiben vom 11.08.2021 um erneute Prüfung des Sachverhalts, da sie über eine Schnur und diverses Spielzeug gestolpert und aus diesem Grund gestürzt sei. Die Beklagte wies die Ansprüche mit Schreiben vom 25.08.2021 erneut zurück, auch mit dem Hinweis auf eine inkonsistente Schilderung des Schadenshergangs.
Mit der Begründung, es handele sich um ein Unfallgeschehen, da die Ehefrau des Klägers jedenfalls gestürzt sei, hat der Kläger Versicherungsleistungen auf der Grundlage einer 40%igen Invalidität sowie Ersatz vorgerichtlicher Rec...