Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung: Wirksamkeit einer Rentenklausel unter Diskriminierungsaspekten

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Urteil vom 15.09.2020; Aktenzeichen 5 O 2200/19)

 

Tenor

Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 15.09.2020 - 5 O 2200/19 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung wegen eines Unfallereignisses seiner mitversicherten Ehefrau am XX.XX.2016. Er unterhält bei dem Beklagten eine private Unfallversicherung; versicherte Personen sind der Kläger selbst sowie seine Ehefrau, Frau A Nachname1. Letztere war am Tag des Unfalls 65 Jahre alt.

Am XX.XX.2016 stürzte die chronisch alkoholkranke Ehefrau des Klägers gegen 14 Uhr mit dem linken Auge auf den Griff ihres Rollators. Aufgrund einer Berstung im linken Auge erblindete dieses infolge des Unfalls vollständig und irreversibel. Bei der nachfolgenden Krankenhausbehandlung in der Klinik1 wurde ausweislich des Laborberichts vom XX.XX.2016 (15:53 Uhr) eine Blutalkoholkonzentration der Ehefrau des Klägers von 2,6 Promille festgestellt.

Zwischen den Parteien ist (inzwischen) unstreitig, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten in Form der AUB 2000 in den im Jahre 2000 geschlossenen Versicherungsvertrag einbezogen worden sind. Mit der Unterschrift auf dem Antrag vom 28.02.2020 bestätigte der Kläger deren Erhalt.

Unter Ziff. 2.1.2.1 AUB 2000 (vgl. Anl. B1, Bl. 40 ff. der Akte) heißt es:

"Die Invaliditätsleistung zahlen wir

  • als Kapitalbetrag bei Unfällen der versicherten Person vor Vollendung des 65. Lebensjahres,
  • als Rente nach Ziffer 2.1.2.3 bei Unfällen nach diesem Zeitpunkt."

Unter der Rubrik 5.1 ("Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:") heißt es unter Ziff. 5.1.1:

"Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.

Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn diese Störungen oder Anfälle durch ein unter diesen Vertrag fallendes Unfallereignis verursacht waren."

Weiter heißt es unter Ziff. 7.2:

"Die von uns übersandte Unfallanzeige müssen Sie oder die versicherte Person wahrheitsgemäß ausfüllen und uns unverzüglich zurücksenden; von uns darüber hinaus geforderte sachdienliche Auskünfte müssen in gleicher Weise erteilt werden."

Unter Ziff. 8 ("Welche Folgen hat die Nichtbeachtung von Obliegenheiten") heißt es:

"Wird eine nach Eintritt eines Unfalles zu erfüllende Obliegenheit verletzt, verlieren sie den Versicherungsschutz, es sei denn, Sie haben die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Bei grob fahrlässiger Verletzung behalten sie insoweit den Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Leistungsfalls noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat. Bei vorsätzlicher Verletzung behalten Sie in diesen Fällen den Versicherungsschutz insoweit nur, wenn die Verletzung nicht geeignet war, unsere Interessen ernsthaft zu beeinträchtigen, oder wenn sie kein erhebliches Verschulden trifft."

Die Parteien streiten darüber, ob zum Unfallzeitpunkt bereits eine den Versicherungsschutz ausschließende Alkoholisierung bestanden hat, oder ob die Ehefrau des Klägers erst nach dem Unfall in erheblichem Maße Nachtrunk gehalten hat.

Der Kläger meldete den Unfall dem Beklagten entsprechend den Versicherungsbedingungen. In der Schadensanzeige vom 21.08.2016 an den Beklagten (Anl. K2, Bl. 9 ff. der Akte), deren Seite 4 eine Belehrung über die Folgen von Obliegenheitspflichtsverletzungen enthält, bejahte er die Frage unter Ziff. 7.1 danach, ob die verletzte Person in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall alkoholische Getränke, Medikamente oder Rauschmittel zu sich genommen habe, und gab an: "Blutdrucksenker, Sodbrennmittel, Bier".

Die Frage unter Ziff. 2, danach, ob der verletzten Person eine Blutprobe entnommen worden sei, verneinte er. Die Frage nach Vorerkrankungen (vorbestehende Krankheiten oder Gebrechen) unter Ziff. 11.1 bejahte er und gab an: "Bluthochdruck, Rückenleiden".

Nachdem der Beklagte die Unfallanzeige erhalten hatte, bat er den Kläger mit Schreiben vom 25.08.2016 (Anl. B3, Bl. 50 der Akte) um ergänzende Informationen, unter anderem dazu, welche Menge an Bier in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall konsumiert worden sei. Hierauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 02.10.2016 (Anl. B4, Bl. ...

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