Leitsatz (amtlich)
Wenn bei einem Verbraucherdarlehensvertrag aus dem Juli 2015 die Widerrufsinformation dem Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der zwischen dem 13.06.2014 und dem 20.03.2016 geltenden Fassung entspricht, greift die Gesetzlichkeitsfiktion aus Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB zugunsten des Darlehensgebers mit der Folge ein, dass die 14-tägige Widerrufsfrist aus § 355 Abs. 2 BGB zu laufen beginnen kann.
Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion durch das nationale Gericht steht das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 (C-66/19, NJW 2020, 1423), nach welchem die Widerrufsinformation des Musters wegen der darin enthaltenen Kaskadenverweisung den Anforderungen von Art. 10 Abs. 2p der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditvertäge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates nicht genüge, nicht entgegen, weil eine unionsrechtskonforme Auslegung durch das nationale Gericht nicht dazu führen darf, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird (Anschluss BGH, Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 198/19, BKR 2020, 253).
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 31.01.2020 (9 O 475/19) durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Sie sollte zur Vermeidung weiterer Kosten die Möglichkeit einer Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Der Verhandlungstermin am 01.07.2020 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufes eines zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrages.
Die Klägerin schloss am 20.07.2015 mit der Beklagten, einer Bank, einen Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 17.559,84 EUR mit einer Laufzeit von 48 Monaten zur teilweisen Finanzierung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges des Types xxx xxx mit Erstzulassung im Oktober 2014 (Anlage K2 = Anlage B1), welches sie am selben Tage von der Autohaus P. GmbH & Co.KG in D. für private Zwecke zu einem Preis von 26.790,00 EUR gekauft hatte. Der Darlehensvertrag weist einen Darlehensgesamtbetrag von 19.160,00 EUR bei einem effektiven Jahreszins von 2,90 % aus. Nach dem Zahlungsplan sollte die Klägerin eine erste Rate von 188,75 EUR am 15.08.2015 zahlen und sodann 47 Folgeraten in gleicher Höhe am gleichen Tag des folgenden Monats sowie am 15.07.2019 die Schlussrate über 10.100,00 EUR. Die Klägerin zahlte selbst eine Anzahlung von 10.000,00 EUR auf den Kaufpreis, während die Verkäuferin den restlichen Kaufpreis durch unmittelbare Auszahlung des Darlehens durch die Beklagte erhielt.
Die Klägerin nahm zum 15.08.2015 die Ratenzahlung auf und zahlte bis zum 15.07.2019 sämtliche vertraglich vorgesehenen Raten einschließlich der Schlussrate. Mit Schreiben vom 17.06.2018 (Anlage K3) erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 27.07.2018 (Anlage K4) als unwirksam zurück und blieb auch bei ihrem Rechtsstandpunkt, nachdem die Klägerin mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.08.2018 (Anlage K5) ihre Auffassung näher begründet hatte (Schreiben der Beklagten vom 26.10.2018, Anlage K6).
Die Klägerin hat vorgetragen, der Darlehensvertrag sei infolge ihres wirksamen Widerrufes in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden, mit der Folge, dass eine Rückabwicklung im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu erfolgen habe, ohne dass die Klägerin Ersatz für einen etwaigen Wertverlust des Kraftfahrzeuges zu leisten habe. Die Klägerin könne deshalb Rückzahlung der von ihr geleisteten Raten und der Anzahlung in Höhe von insgesamt 29.160,00 EUR gegen Rückgabe des Kraftfahrzeuges an die Beklagte verlangen.
Die Klägerin habe den Widerruf noch am 17.06.2018 wirksam erklären können, weil die 14-tägige Widerrufsfrist aus § 355 Abs. 2 BGB nicht zu laufen begonnen hätte. Es fehle schon an den Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist nach § 356 b Abs. 1 BGB, weil die Klägerin keinen unterschriebenen Darlehensantrag erhalten habe. Im Übrigen habe die Beklagte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß informiert. Die Vertragsurkunde enthalte nicht alle erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB. So fehle es an einem Hinweis zum Verfahren bei Ausübung der Kündigung, an ausreichenden Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung, an den Angaben zur Vertragslaufzeit und zur Anzahl sowie Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen, an der Angabe des Verzugszinssatzes, an der Angabe der Daten des Darlehensvermittlers und der Provisionshöhe und an der Angabe der Darlehensart.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Widerru...