Leitsatz (amtlich)

1. Dem zwischen dem 1.7.1949 und dem 3.10.1990 geborenen und anerkannten nichtehelichen Abkömmling eines Erblassers, der bis zur Wiedervereinigung im Beitrittsgebiet gelebt hat und anschließend (hier vor dem 1.4.1998) verstorben ist, stehen gegen den testamentarischen Erben gem. Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB (a.F.) Pflichtteilsansprüche zu, die denen eines ehelichen Abkömmlings nach den Vorschriften des BGB gleichen.

2. Unerheblich ist dabei, ob der Abkömmling bei Eintritt des Erbfalles ggü. dem Erblasser unterhaltsberechtigt war, wie es § 396 Abs. 1 Nr. 2 ZGB-DDR zur Voraussetzung eines Pflichtteilsanspruchs des Abkömmlings - gleichviel, ob ehelich oder nichtehelich - erhob.

 

Normenkette

BGB §§ 2303 ff.; EGBGB a.F. Art. 235 § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Beschluss vom 23.07.2009; Aktenzeichen 2 O 839/08)

 

Tenor

Die Anträge der Klägerinnen, ihnen für das beabsichtigte Berufungsverfahren gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 23.7.2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, werden abgelehnt.

 

Gründe

Den Klägerinnen, die das erstinstanzliche Urteil anfechten möchten, kann hierfür ungeachtet der Frage ihrer Bedürftigkeit keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil die beabsichtigte Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, § 114 ZPO.

Im Ergebnis zu Recht hat das LG die Schadensersatzklage gegen den Beklagten, ihren früheren Prozessbevollmächtigten, abgewiesen. Das diesem vorgeworfene Unterlassen, nämlich in dem verloren gegangenen Auskunftsprozess, den die uneheliche, 1969 geborene und 1970 vom Erblasser als die seine anerkannte Tochter nach dessen Tod (24.8.1997) im Jahre 1999 gegen ihre drei Halbgeschwister angestrengt hatte, weder auf die Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Klärung des (zu Recht) in Abrede gestellten testamentarischen Erbrechts der Halbschwester der Mandanten hingewirkt noch auf das Fehlen bzw. den Ausschluss einer Pflichtteilsanspruchsberechtigung der Halbschwester als testamentarischer Nichterbin gem. § 396 Abs. 1 Nr. 2 ZGB hingewiesen (und dies durch entsprechenden Tatsachenvortrag untermauert) zu haben, war bei unterstellter Pflichtwidrigkeit jedenfalls nicht ursächlich für die Prozessniederlage (Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 30.7.1999 - 2 O 1259/99) und die damit anschließend verbundenen Vermögensnachteile der Mandanten. Denn selbst als Nichterbin stand der Klägerin des Vorprozesses der geltend gemachte Auskunftsanspruch zu. Dies hat das LG im nunmehr anzugreifenden Urteil richtig entschieden, wenn auch nur unzureichend begründet. Auf die weiteren Bedenken des Beklagten im Schriftsatz vom 10.9.2009 zur Anspruchshöhe und zur Frage der Verjährung kommt es daher nicht an.

Im Einzelnen:

1. Das LG hat für die von ihm angenommene Berechtigung des Auskunftsverlangens der Klägerin des Vorprozesses als Nichterbin keine Anspruchsgrundlage benannt und weder Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB noch das vor der Wiedervereinigung geltende Pflichtteilsrecht des ZGB einer näheren Prüfung unterzogen.

Mit Inkrafttreten des ZGB am 1.1.1976 war zwar eine vollständige erbrechtliche Gleichstellung zwischen ehelichen und nichtehelichen Abkömmlingen erreicht. Das bei testamentarischem Ausschluss von der Erbfolge eingreifende Pflichtteilsrecht stand diesen wie jenen aber, wie das LG möglicherweise übersehen, jedenfalls nicht erörtert hat, unterschiedslos nur dann zu, wenn sie im Zeitpunkt des Erbfalles ggü. dem Erblasser unterhaltsberechtigt waren, § 396 Abs. 1 Nr. 2 ZGB. Letzteres war hier, wie der Beklagte nicht in Abrede stellt, gerade nicht der Fall. Auf altes DDR-Recht, welches durch Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB unverändert übergeleitet worden sei, ließen sich Pflichtteils- und entsprechende Auskunftsansprüche der damaligen Klägerin also nicht stützen. Die Entscheidungsgründe des nunmehr anzufechtenden Urteils verhalten sich hierzu nicht eindeutig; man könnte sie im gerade umgekehrten Sinne verstehen.

2. Dies im Vorprozess nicht zur Verteidigung gegen die Auskunftsklage eingewandt zu haben, mag dem hiesigen Beklagten als Pflichtwidrigkeit anzulasten sein, hat aber jedenfalls nicht den Verlust des Rechtsstreits verursacht. Denn aus einem anderen Grunde ist der Vorprozess nach der im Regressprozess maßgeblichen Auffassung des Senates richtig entschieden worden. Tatsächlich hat Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB (i.V.m. Art. 230 EGBGB) nämlich selbst eine hier ausschlaggebende Änderung in pflichtteilsrechtlicher Hinsicht mit der Folge bewirkt, dass sich die Berechtigung des Auskunftsverlangens der damaligen Klägerin aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB ergab.

a) Das folgt allerdings nicht aus der aktuellen Fassung des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB ("Ist der Erblasser nach dem Wirksamwerden des Beitritts gestorben, so gelten in Ansehung eines nichtehelichen Kindes, das vor dem Beitritt geboren ist, die für die erbrechtlichten Verhältnisse eines ehelichen Kindes geltenden Vorschriften."); sie ist in zeitlicher Hinsicht unanwendbar.

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