Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Behauptung von einem Presseorgan lediglich verbreitet, ohne dass ein Zu-Eigenmachen vorliegt, kann Unterlassung des "Behauptens" dieser Äußerung nur verlangt werden, wenn hierfür eine Erstbegehungsgefahr vorliegt.

2. Mit der Verbreitung der Behauptung eines Dritten wird zugleich der Gegenstand dieser Behauptung als Verdachtsäußerung mitgeteilt.

3. Außerhalb der Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat ist die Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen jedenfalls dann nicht geboten, wenn dessen Sichtweise in einer Pressemitteilung enthalten ist, die in der Berichterstattung wiedergegeben wird.

4. Die nicht stigmatisierende Berichterstattung über erhebliche Kostensteigerungen bei kommunalen Bauvorhaben darf mit einem kontextneutralen Foto des zuständigen Amtsleiters versehen werden. Dass dieser kein gewählter Mandatsträger ist, steht dem nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Aktenzeichen 7 O 310/19)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Senat beabsichtigt, den Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festzusetzen.

4. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.11.2021 wird aufgehoben.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Jedenfalls den im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Teil der Klage hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung allein noch gegen die in dem streitgegenständlichen Artikel enthaltene Behauptung, er habe "Schriftgut fehlerhaft und teilweise ohne Nummerierung eingeordnet" und das im Zusammenhang mit dem Gesamtartikel abgedruckte, kontextneutrale Portraitfoto. Erstinstanzlich war noch die - unwahre - Behauptung streitig gewesen, der Haupt- und Personalrat der Stadt ... habe der Entlassung des Klägers zugestimmt. Die Parteien haben insoweit den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 5.8.2020 für erledigt erklärt, das Landgericht hat - ohne Begründung im Einzelnen - die hierauf entfallenden Kosten dem Kläger auferlegt. Den ebenfalls erstinstanzlich noch gestellten Antrag auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat es abgelehnt. Letztere Punkte werden mit der Berufung nicht mehr angegriffen und sind damit rechtskräftig entschieden.

Der Kläger meint, das Landgericht habe aber die Klage im Übrigen mit unzutreffender Begründung abgewiesen. Es hätte insbesondere nicht annehmen dürfen, dass die behaupteten Tatsachen wahr seien. Der verständige Durchschnittsleser könne sie nämlich nur in dem Sinn verstehen, dass damit ein Verstoß gegen die Aktenordnung der Stadt ... behauptet werde. Dieser sei aber nicht gegeben, weil diese Aktenordnung eine Nummerierung nur "nach Bedarf" und nur für den Fall vorsehe, dass einer Hauptakte ein Inhaltsverzeichnis beigefügt werde. Das Landgericht habe sich überhaupt nicht mit den Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung befasst und verkannt, dass es hier an der gebotenen Anhörung des Klägers gefehlt habe. Zu einer Veröffentlichung der Fotografie des Klägers sei die Beklagte ohnehin nicht berechtigt gewesen, da er keine Person des öffentlichen Interesses, sondern nur angestellter Amtsleiter gewesen sei und die Bebilderung keinen zusätzlichen Informationswert habe, sondern nur dazu diene, die Neugier der Leserschaft zu befriedigen. Unabhängig hiervon sei die Bebilderung eines Artikels, der eine unzutreffende Tatsachenbehauptung beinhalte und den Betroffenen in hohem Maße in seiner Sozialsphäre beeinträchtige, unzulässig.

II. Dieses Vorbringen kann der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG auf Unterlassung der allein noch streitgegenständlichen Behauptung und Abdruck seines kontextneutralen Bildnisses hat der Kläger nicht.

1. Die in dem Artikel enthaltene Behauptung, der Kläger habe "Schriftgut fehlerhaft und teilweise ohne Nummerierung eingeordnet", muss dieser hinnehmen. Im Gesamtkontext des Artikels wird durch die Erwähnung, dass es sich hierbei um "Vorwürfe" handelt, die Aktenführung "bemängelt wurde" und die Verwendung des Wortes "soll" deutlich, dass die Beklagte hiermit keine eigene Behauptung aufstellt, sondern die in der Empfehlung des Akteneinsichtsausschusses enthaltenen Vorwürfe lediglich verbr...

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