Leitsatz (amtlich)

Der nach einem Gleiteisunfall aufgesuchte Arzt ist ohne eine entsprechende Schmerzäußerung des Patienten nicht verpflichtet, nach Unfallfolgen außerhalb des unmittelbar betroffenen Gelenkbereichs (hier: Schulterverletzung bei angegebener Knieprellung) zu fahnden.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Aktenzeichen 4 O 22/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.12.2023 wird aufgehoben.

4. Es ist beabsichtigt, den Gegenstand des Berufungsverfahrens auf 23.000,00 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schmerzensgeld sowie Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung in der Zeit vom 19.01. bis 21.01.2017.

Der am 07.10.1962 geborene Kläger ist im Februar 2016 im Hause der Beklagten am linken Kniegelenk operiert worden (Umstellungsosteotomie). Am 19.01.2017 stürzte er wegen Glätte und wurde vom Notarzt wegen starker Schmerzen am linken Kniegelenk und Bewegungseinschränkungen zur Beklagten verbracht, wo er stationär aufgenommen wurde. Nach der durchgeführten körperlichen Untersuchung sowie einer Röntgenaufnahme des linken Kniegelenkes wurde von den Behandlern der Beklagten keine knöcherne Verletzung festgestellt. Er wurde konservativ mit Schmerzmitteln behandelt und am 21.01.2017 mit Unterarmgehstützen entlassen. Am 20.02.2017 wurde beim Kläger im ...haus E... das Osteosynthesematerial entfernt. Eine MRT-Befundung des linken Kniegelenkes vom 08.03.2017 ergab eine Infraktion (unvollständige Fraktur) ohne Knochenmarksödem am Fibulaköpfchen (Wadenbein). Am 14.08.2017 stellte sich der Kläger bei einem Facharzt für Orthopädie vor, wobei ein kleiner Riss im Bereich der Supraspinatussehne in der Sonographie diagnostiziert wurde.

Der Kläger behauptet, während des stationären Aufenthaltes nach seinem Sturz hätten weitere Untersuchungen stattfinden müssen, wie z.B. ein MRT. Dann wäre der Einriss im Fibulaköpfchen, der durch den Sturz entstanden sei, diagnostiziert worden sei. Des Weiteren habe er Schmerzen an der Schulter geäußert, dem sei nicht nachgegangen worden. Bei sachgerechter Befunderhebung wäre der Einriss der Supraspinatussehne, der ebenfalls auf den Sturz zurückzuführen sei, festgestellt und frühzeitig behandelt worden. Er hätte nicht entlassen werden dürfen.

Die Beklagte hat behauptet, weder der Einriss des Fibulaköpfchens noch die Läsion der Supraspinatussehne hätten zum Zeitpunkt der stationären Behandlung schon vorgelegen. Die Röntgenaufnahme sei ausreichend gewesen, um knöcherne Verletzungen auszuschließen. Es habe keine Veranlassung für weitergehende Untersuchungen bestanden. Unabhängig davon wäre ein MRT wegen der Metallartefakte nicht aussagekräftig gewesen. Schmerzen im Schulterbereich habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt geäußert. Supraspinatusläsionen seien im Übrigen häufig degenerativer Natur und unabhängig von einem Unfallereignis.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B... eingeholt und die Klage mit Urteil vom 08.05.2023 - auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird - abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, für die Beklagte hätte sich anhand des Unfallgeschehens erschließen können, dass bei einem Sturz auf Eis nicht nur das Knie verdreht und verletzt worden sei. Der Umstand, dass der Kläger selbst keine unmittelbare Erinnerung an Schmerzäußerungen im Schulterbereich gehabt habe, liege daran, dass ihm starke Schmerzmittel verabreicht worden seien. Darüber hinaus habe die Lebensgefährtin des Klägers auf Beschwerden in der Schulter hingewiesen. Hinsichtlich der Schädigung des Fibulaköpfchens hätten sowohl der Gutachter als auch das Landgericht die Kausalzusammenhänge nicht sorgfältig bewertet. Es sei nicht ersichtlich, wo und wann sich der Kläger diese Verletzung zugezogen haben sollte, wenn nicht bei dem Sturzereignis. Die Entlassung des Klägers mit einer derartigen starken Schmerzmedikation sei ein grober Fehler in der ärztlichen Behandlung.

Der Kläger beantragt,

Das Urteil des Landgerichtes Chemnitz wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, künftigen materiellen Schaden zu bezahlen, der aus der Behandlung vom 19. bis 21.01.2017 resultiert.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssa...

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