Leitsatz (amtlich)
Bei der Frage, ob eine beleidigende Herabsetzung einer Prozesspartei in einem Sachverständigengutachten vorliegt, die Anlass zur Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen bietet, ist zu berücksichtigen, ob die Formulierung spontan oder als Reaktion auf vergleichbare Formulierungen einer Prozesspartei erfolgt sind.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 2598/16) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 02.10.2019 - 6 O 2598/16 - wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
5. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 90.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit der Klage begehrt der Kläger die Klärung von Behandlungsfehlervorwürfen im Zusammenhang mit der Behandlung einer Wirbelsäulenfraktur im Hause der Beklagten.
Mit Beschluss vom 03.01.2019 beauftragte das Landgericht den Sachverständigen Prof. Dr. H...... mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Nach Eingang des Gutachtens vom 17.07.2018 brachte der Kläger mit Schriftsatz vom 11.10.2018 eine Reihe von Einwänden dagegen vor und beantragte eine schriftliche Erläuterung seitens des Sachverständigen. Das Landgericht bat den Sachverständigen, in einem Ergänzungsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen des Klägers Stellung zu nehmen. Nach Eingang des Ergänzungsgutachtens vom 19.08.2019 beantragte der Kläger, den Sachverständigen wegen Befangenheit abzulehnen, da das Gutachten zahlreiche, ihn herabsetzende, hämische Formulierungen enthalte. Die Voreingenommenheit und Parteilichkeit sowie die unsachliche Grundhaltung werde ebenfalls in der gutachterlichen Bewertung des behaupteten Behandlungsfehlers deutlich. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 23.9.2019 verwiesen. Mit Beschluss vom 02.10.2019 hat das Landgericht den Antrag des Klägers zurückgewiesen, da sich die Äußerungen des Sachverständigen im Rahmen einer offensiv kritischen Auseinandersetzung mit den gegen ihn gerichteten Zweifeln hielten. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat es mit Beschluss vom 12.11.2019 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen den Sachverständigen Prof. Dr. H......n zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.
Gemäß § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Der Sachverständige ist danach ebenso wie der Richter zu unvoreingenommener und neutraler Führung seiner Aufgaben verpflichtet; dies verlangt Sachlichkeit und die Wahrung des "gleichen Abstands" zu den Parteien (Zöller/Vollkommer, ZPO 32. Aufl. § 42 Rz. 20). Die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ist demnach dann zu bejahen, wenn berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Neutralität aus Sicht einer vernünftigen Partei bestehen, wenn also ausreichende Anhaltspunkte gegeben sind, die das subjektive Misstrauen der ablehnenden Partei bei vernünftiger Betrachtung rechtfertigen können und die Befürchtungen der Partei hinsichtlich einer Parteilichkeit des Sachverständigen nachvollziehbar erscheinen lassen. Solche Tatsachen können sich u. a. aus dem Verhalten des Sachverständigen, insbesondere aus unsachlichen gutachterlichen Stellungnahmen, ergeben. Dabei darf die Wortwahl des Sachverständigen jedoch - gerade in Arzthaftungsfällen - deutlich sein, damit die Sachaussagen verstanden werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 8 W 49/17 -, Rn. 19, - juris; und Beschluss vom 09.06.2016 - 8 W 33/16, - juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.09.2004 - 5 W 196/04, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 1998 - 21 W 7/98 -, Rn. 5, juris; Ahrens, in: ders. (Hrsg.), Der Beweis im Zivilprozess, 1. Aufl. 2015, Kapitel 46, § 163, Rdnr. 35; Berger, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 5, 23. Aufl. 2015, § 406, Rdnr. 40). Hinsichtlich der Art und Weise der Formulierung muss einem Sachverständigen daher ein gewisser Spielraum zugebilligt werden (vgl. etwa OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.06.2016 - 8 W 33/16, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.09.2013 - 9 W 28/13, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.02.2015 - 2 WF 409/14, juris; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl. 2018, Rdnr. S 120b). Gleichwohl darf die Wortwahl des Sachverständigen nicht in eine beleidigende Herabsetzung einer Partei abgleiten (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 8 W 49/17 -, a.a.O und Beschluss vom 09.06.2016 - 8 W 33/16, juris; Beschluss vom 12.10.2017 - 8 W 19/17, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 19.05.2009 - 4 W 150/09, NJW-RR 2009, 1653, 1654).
Vorliegend ergibt die gebotene Gesamtwürdigung, dass ausreichende Anhaltspunkte für ei...