Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzthaftungsprozess: Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung, ob die Wortwahl des Sachverständigen eine beleidigende Herabsetzung einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten darstellt, muss Berücksichtigung finden, ob und ggf. inwieweit eine scharfe verbale Reaktion des Sachverständigen durch massive persönliche Angriffe einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten gegen Leistung und Person des Sachverständigen provoziert worden ist.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 407a Abs. 3, § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Gießen (Entscheidung vom 05.04.2017; Aktenzeichen 2 O 226/15) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 10. April 2017 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 5. April 2017 in Verbindung mit dem Beschluss vom 12. April 2017 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf EUR 25.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten aus einer ärztlichen Behandlung auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden in Anspruch. Er macht insoweit eine Reihe von Behandlungsfehlern geltend.
Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 2. September 2015 (Bl. 99 ff. d. A.) gemäß § 358a Satz 2 Nr. 4 ZPO die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen hatte, bestimmte es mit Beschluss vom 6. Januar 2016 (Bl. 141 d. A.) Herrn Prof. Dr. A zum Sachverständigen.
Am 30. Mai 2016 ging beim Landgericht ein schriftliches Sachverständigengutachten ein, das die Unterschriften des Sachverständigen Prof. Dr. A sowie des leitenden Oberarztes Dr. B trägt (Bl. 153 ff. d. A.). Die Beklagten äußerten sich mit Anwaltsschriftsatz vom 6. Juli 2016 (Bl. 174 ff. d. A.) kritisch zu dem schriftlichen Gutachten. Dabei warfen sie eingangs die Frage auf, wer das Gutachten erstellt habe.
Mit Beschluss vom 8. August 2016 (Bl. 186 d. A.) ordnete das Landgericht die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. A an und gab diesem auf, sich "hierin mit den Ergänzungsfragen und Einwendungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Juli 2016 (Bl. 174 ff. d. A.) auseinanderzusetzen".
Das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 15. November 2016 (Bl. 189 ff. d. A.) ging am 5. Dezember 2016 beim Landgericht ein. Auch das Ergänzungsgutachten ist von dem Sachverständigen Prof. Dr. A sowie dem leitenden Oberarzt Dr. B unterzeichnet. Zu diesem Ergänzungsgutachten äußerten sich die Beklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Januar 2017 (Bl. 235 ff. d. A.). Auf eine entsprechende Aufforderung des Landgerichts hin nahm der Sachverständige Prof. Dr. A zu diesem Anwaltsschriftsatz mit seiner Eingabe vom 8. Februar 2017 (Bl. 246 ff. d. A.) Stellung.
Nachdem sich die Beklagten dazu mit Anwaltsschriftsatz vom 15. Februar 2017 (Bl. 250 f. d. A.) knapp geäußert hatten, lehnten sie mit Anwaltsschriftsatz vom 22. Februar 2017 (Bl. 260 f. d. A.) den Sachverständigen Prof. Dr. A als befangen ab. Wegen der näheren Einzelheiten des Befangenheitsgesuchs wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 22. Februar 2017 Bezug genommen (Bl. 260 f. d. A.).
Am 16. März 2017 ging beim Landgericht eine Stellungnahme vom 6. März 2017 zu dem Anwaltsschriftsatz der Beklagten vom 16. Januar 2017 ein, welche die Unterschriften des Sachverständigen Prof. Dr. A sowie des leitenden Oberarztes Dr. B trägt (Bl. 283 ff. d. A.).
Mit Anwaltsschriftsatz vom 23. März 2017 (Bl. 288 f. d. A.) lehnten die Beklagten daraufhin den Sachverständigen Prof. Dr. A sowie Herrn Dr. B als befangen ab. Wegen der näheren Einzelheiten dieses Befangenheitsgesuchs wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 23. März 2017 Bezug genommen (Bl. 288 f. d. A.).
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 5. April 2017 wies das Landgericht das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Prof. Dr. A zurück (Bl. 290 ff. d. A.). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss des Landgerichts erhoben die Beklagten unter dem 10. April 2017 sofortige Beschwerde. Wegen der Einzelheiten der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 10. April 2017 Bezug genommen (Bl. 294 ff. d. A.).
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12. April 2017 (Bl. 299 f. d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zwar nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 406 Abs. 5 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (1), insbesondere binnen der Notfrist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Beklagten im Ergebnis zu Recht abschlägig beschieden hat (2).
1. Die Ablehnungsgesuche der Beklagten sind - soweit sie sich gegen den Sachverständigen Prof. Dr. A richten - zulässig. Sie sind jew...