Leitsatz (amtlich)
Hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel angebracht, obwohl der Zahlungstitel einer qualifizierten, vom Rechtspfleger zu erteilenden Klausel bedarf, ist die anschließend auf Betreiben des Gläubigers gegen den Schuldner und Grundstückseigentümer eingetragene Zwangssicherungshypothek nicht zur Entstehung gelangt und hat das Grundbuchamt, das den Vollstreckungsunterlagen die Unwirksamkeit der Klausel entnehmen konnte, auf Beschwerde des Schuldners einen Amtswiderspruch einzutragen.
Normenkette
GBO § 71 Abs. 2, § 53 Abs. 1; ZPO § 726 Abs. 1, §§ 795, 795b
Verfahrensgang
AG Hohenstein-Ernstthal (Beschluss vom 05.05.2010; Aktenzeichen MR-7) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des AG Hohenstein-Ernstthal - Grundbuchamt - vom 5.5.2010 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, zugunsten des Schuldners gegen die am 15.3.2010 in Abteilung III lfd. Nr. 2 des im Beschlusseingang bezeichneten Grundbuchs eingetragene Zwangssicherungshypothek einen Amtswiderspruch einzutragen.
2. Beschwerdewert: 500 EUR.
Gründe
I. Die Gläubigerin und der Schuldner, in Scheidung lebende Eheleute, sind je hälftige Miteigentümer ihres vormals gemeinsam bewohnten Hausgrundstücks. In einem vor dem Familiengericht am 15.7.2009 geschlossenen Teilvergleich vereinbarten die Eheleute u.a. die alleinige Nutzung der Ehewohnung bei gleichzeitiger alleiniger Tragung der Kosten und Lasten durch den Ehemann (Ziff. 2 und 5 Abs. 1), ferner die Verpflichtung der Ehefrau zur (Um-)Räumung der von ihr im Schlafzimmer gelagerten Sachen und zur Überlassung sämtlicher in ihrem Besitz befindlicher Haus- und Schlafzimmerschlüssel, wobei jeweils Zeitpunkte genannt waren (Ziff. 3 Abs. 2), sowie die Pflicht des Ehemannes, "die noch vom Konto der Klägerin abgebuchte Kreditrate für das III. Quartal 2009 i.H.v. 1.054,54 EUR binnen 14 Tagen ab Erhalt der Schlüssel für das Haus und des beräumten Schlafzimmers zu erstatten" (Ziff. 5 Abs. 2). Auf entsprechenden Antrag der Gläubigerin erteilte das Familiengericht durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 17.12.2009 eine Ausfertigung "zum Zwecke der Zwangsvollstreckung bezüglich Ziff. 5 des Teilvergleiches". Unter Ausnutzung dieser vollstreckbaren Ausfertigung erwirkte die Gläubigerin am 15.3.2010 die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek am Miteigentumsanteil des Schuldners.
Den in der nachfolgenden Beschwerdeschrift gestellten Antrag des Schuldners, einen Amtswiderspruch einzutragen, hat das Grundbuchamt nach Anhörung der Gläubigerin, die die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragte, mit Beschluss vom 5.5.2010 abgelehnt. Dagegen richtet sich die mit Ausnahme der eingeschobenen beiden vorletzten Absätze praktisch wortgleich begründete Beschwerde des Schuldners, der die Grundbuchrechtspflegerin am 4.6.2010 nicht abgeholfen hat.
II. Die gem. §§ 71 ff. ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg und führt zur Anweisung an das Grundbuchamt, den erstrebten Amtswiderspruch einzutragen.
1. Diese Entscheidung kann der Senat ohne vorherige (erneute) Anhörung der Gläubigerin fällen.
Es ist bereits fraglich, ob der Vollstreckungsgläubiger in einem vom Schuldner angestrengten Verfahren, in dem gegen den abgeschlossenen Grundbucheintrag ein Amtswiderspruch eingetragen werden soll, überhaupt zwingend zu beteiligen ist, zumal in umgekehrter Richtung eine Anhörung des Schuldners zum ursprünglichen Gläubigerantrag auf Eintragung der Zwangshypothek entbehrlich war (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.5.2005 - 20 W 121/05, juris). Jedenfalls aber hat die Gläubigerin im früheren Stadium des jetzigen Verfahrens auf Eintragung eines Amtswiderspruchs ausführlich Stellung genommen, ohne dass die nunmehr zu bescheidende Beschwerde des Schuldners neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte aufzeigt.
2. Das Rechtsmittel ist begründet. Der begehrte Amtswiderspruch ist gem. §§ 71 Abs. 2 S. 2, 53 Abs. 1 S. 1 GBO einzutragen, weil das Grundbuchamt bei Eintragung der Zwangssicherungshypothek unter einem bislang von keiner Seite erkannten, vom Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz zu berücksichtigenden Gesichtspunkt gegen vollstreckungsrechtliche Vorschriften verstoßen hat und das Grundbuch dadurch unrichtig geworden ist.
a) Aus den von der Gläubigerin eingereichten Vollstreckungsunterlagen war zu ersehen, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und nicht der in Wahrheit gem. § 20 Nr. 12 RPflG i.V.m. §§ 726 Abs. 1, 795 S. 1 ZPO zuständige Rechtspfleger die erforderliche Vollstreckungsklausel auf dem zu vollstreckenden Titel (gerichtlicher Vergleich; § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) angebracht hatte. Dieser Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit und die daraus resultierende Unwirksamkeit der Klausel (OLG Hamm Rpfleger 1989, 466 und OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2004, 119, jeweils m.w.N.) waren vom hier zugleich als Vollstreckungsorgan tätig gewordenen Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen und zu beachten.
aa) Zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs war die Urk...