Entscheidungsstichwort (Thema)

Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass eine Vollstreckungsklausel, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle unter Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit erteilt hat, obwohl sie nach § 726 Abs. 2 ZPO nur von dem Rechtspfleger hätte erteilt werden dürfen, nicht lediglich anfechtbar, sondern unwirksam ist.

 

Normenkette

ZPO § 726; RPflG § 8

 

Verfahrensgang

AG Werne (Aktenzeichen WE-1553-29)

 

Tenor

Das Grundbuchamt wird angewiesen, in das Grundbuch von X Blatt ... zugunsten des Beteiligten zu 2) einen Widerspruch gegen die Eintragung der Zwangshypothek über 8.849,03 EUR einzutragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1) betreibt gegen den Beteiligten zu 2) die Zwangsvollstreckung aus einem vor dem OLG Hamm geschlossenen Vergleich vom 15.9.2009 (7 U 40/09) und dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Dortmund vom 14.12.2009 (3 O 528/08). Der Vergleich hat folgenden Wortlaut:

1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin 8.711,53 EUR.

Damit sind alle Ansprüche der Klägerin aus dem Pachtvertrag über das Cafè S in X vom 26.4.2005, soweit der Beklagte betroffen ist, wegen eines Minderbezuges von Bier (Ziff. 2 des Pachtvertrages vom 13.1.1999) erledigt.

2. Die Zahlung ist fällig nach noch zu erfolgender Gesamtrechnungsstellung aller von der Klägerin errechneten und behaupteten Pachtrückstände nach Kündigung Anfang 2009 sowie sonstiger Forderungen einschließlich der Forderung zu Ziff. 1).

3. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

Die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs und des Kostenfestsetzungsbeschlusses, aufgrund welcher die Beteiligte zu 1) die Vollstreckung betreibt, ist am 16.11.2009 vom Urkundsbeamten der Geschäftstelle des LG Dortmund erteilt worden.

Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 25.10.2010, dem eine Forderungsaufstellung über 8.849,03 EUR beigefügt war, trug das Grundbuchamt am 9.11.2010 in Abt. III des Grundbuchs unter laufende Nr. 12 eine Sicherungshypothek über 8.849,03 EUR zugunsten der Beteiligten zu 1) ein.

Mit Schreiben vom 19.11.2009 erhob der Beteiligte zu 2) "Widerspruch" gegen die Eintragung ein mit der Begründung, die Höhe der Sicherungshypothek sei unrichtig, weil gezahlte Beträge nicht berücksichtigt seien.

II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs nach §§ 71 Abs. 2 S. 2, 53 GBO zulässig.

In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Die Eintragung der Zwangssicherungshypothek in Abt. III des Grundbuchs unter laufende Nr. 12 ist unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen worden. Hierdurch ist das Grundbuch unrichtig geworden, § 53 Abs. 1 S. 1 GBO. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen nämlich nicht vor, weil die vom Urkundsbeamten der Geschäftstelle des LG Dortmund am 16.11.2009 erteilte Vollstreckungsklausel betreffend den Vergleich vom 15.9.2009 (7 U 40/09) unwirksam ist (s. dazu unten) und die Eintragung einer isolierten Sicherungshypothek für die geltend gemachte Kostenforderung von noch 196,50 EUR aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Dortmund vom 14.12.2009 (3 O 528/08) daran scheitert, dass die Forderung den Betrag von 750 EUR nicht überschreitet, § 866 Abs. 3 S. 1 ZPO.

Nach dem der Vollstreckung zugrunde liegenden Vergleich schuldet der Beteiligte zu 2) 8.711,53 EUR, die aber erst fällig sind, nachdem die Gläubigerin eine Gesamtrechnungsstellung aller von ihr errechneten und behaupteten Pachtrückstände nach Kündigung Anfang 2009 sowie sonstiger Forderungen einschließlich der Forderung von 8.711,53 EUR erstellt hat. Hierbei handelt es sich um eine von der Gläubigerin zu beweisende aufschiebende Bedingung i.S.d. § 726 Abs. 1 ZPO. Daher darf eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Beweis durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt ist. Funktionell zuständig zur Erteilung einer sog. qualifizierten Klausel nach § 726 ZPO ist gem. § 20 Nr. 12 RPflG der Rechtspfleger (BGH NJW 2006, 776; BAG NJW 2004, 701).

Vorliegend ist die Klausel jedoch vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und nicht vom Rechtspfleger ausgestellt worden. Wegen dieses Verstoßes gegen die funktionelle Zuständigkeit und mit Rücksicht auf die gesetzliche Wertung in § 8 Abs. 4 und 5 RPflG ist die von dem Urkundsbeamten erteilte Klausel unwirksam; dies ist vom Vollstreckungsorgan von Amts wegen zu beachten (OLG Hamm NJW-RR 1987, 957 = Rpfleger 1987, 509; OLG Hamm, 14. OLG Hamm Rpfleger 1989, 466; KG FGPrax 1999, 189; OLG Frankfurt Rpfleger 1991, 12; OLG München FamRZ 2002, 405; LG Detmold Rpfleger 1996, 19; Baumbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 726 Rz. 3; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 726 Rz. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 724 Rz. 5; Bassenge/Roth, FamFG/RPflG, 12. Aufl., § 8 RPflG Rz. 5; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 726 Rz. 22; a.A. OLG Koblenz NJW 1992, 378; OL...

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