Leitsatz (amtlich)
1. Wird der Post eines Nutzers in einem sozialen Netzwerk automatisch gelöscht und auf dessen Beschwerde unmittelbar wieder eingestellt, fehlt es an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr.
2. Anders ist dies, wenn der Netzanbieter die Löschung zunächst verteidigt oder durch sein Verhalten zu erkennen gibt, sie nach wie vor für berechtigt zu halten. (Festhaltung Senat, Beschluss vom 4. Oktober 2021, Az.: 4 W 625/21)
3. Eine solche Verteidigung liegt aber nicht bereits dann vor, wenn eine Eingangsbestätigung den Hinweis enthält, der Vorgang sei "noch einmal geprüft" worden, aus den äußeren Umständen zugleich jedoch klar ersichtlich ist, dass eine solche Prüfung nicht stattgefunden haben kann.
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandswert wird auf 1.200,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers war nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 05.10.2021 verwiesen. Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 5.10.2021 rechtfertigen keine andere Entscheidung.
1. Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 05.10.2021 ausgeführt hat, fehlt es an einem Verfügungsanspruch, weil die Wiederholungsgefahr durch das Verhalten der Beklagten widerlegt ist. Ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen begründet eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der - auch für einen vertraglichen Unterlassungsanspruch erforderlichen - Wiederholungsgefahr. Diese Vermutung kann entkräftet werden, wobei daran strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr kann ausnahmsweise etwa dann angenommen werden, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.2021 - VI ZR 166/19). Eine solche Sondersituation liegt vor. Denn die Beklagte verwendet eine algorithmusgesteuerte Software, um bestimmte Beiträge ihrer Nutzer, die gegen ihre Standards verstoßen, auszufiltern. Diese Praxis ist im Hinblick auf die hohe Anzahl von Nutzern nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es nicht zwingend geboten, Nutzer bereits vor der Löschung eines Posts anzuhören (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20). Wird ein solches Verfahren eingesetzt, lässt eine automatisierte Löschung für sich genommen noch keinen Rückschluss auf ein zukünftiges Verhalten der Beklagten zu (vgl. Senat, Beschluss vom 04.10.2021 - 4 W 625/21 - noch nicht veröffentlicht). Die Vermutung knüpft an ein Verhalten des Störers in der Vergangenheit an, das auf die objektive Besorgnis schließen lässt, dass es in der Zukunft zu weiteren gleichartigen Störungen kommen wird (vgl. Senat, a.a.O.). Hiervon kann in einer Situation, in der die erstmalige Überprüfung der durch den Algorithmus eingeleiteten Löschung unmittelbar zur Wiederherstellung eines Posts führt, nicht ausgegangen werden, weil die Beklagte hierdurch zu erkennen gibt, dass die Löschung auf einem Fehler im Algorithmus beruht und die Wiederherstellung die tatsächliche Vermutung begründet, dass der Beitrag zukünftig von Löschungsalgorithmen nicht mehr erfasst wird (vgl. Senat, a.a.O.).
Daran ändert unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalles auch die Mitteilung der Beklagten nichts, die dem Kläger am Tage der Löschung (18.04.2021) um 18.58 Uhr Folgendes mitgeteilt hat:
"Wir haben bestätigt, dass dein Beitrag nicht unseren Gemeinschaftsstandards entspricht. Wir haben deinen Beitrag noch einmal geprüft, und er entspricht nicht unseren Gemeinschaftsstandards. Wenn du mit der Entscheidung von ... nicht einverstanden bist, kannst du bei OversightBoard Einspruch einlegen..."
Diese Mitteilung erfolgte am Tag der Einstellung des Beitrages und dessen Löschung - am 18.4.2021. Trotz der Formulierung, dass der Beitrag "noch einmal" geprüft wurde, die grundsätzlich auf eine inhaltliche Kontrolle der algorithmusbasierten Löschung durch einen Menschen hindeutet, war vorliegend für den Kläger aber schon aus dem zeitlichen Verlauf (Verlinkung des zugrundeliegenden Artikels durch den Kläger am 18.4.2021 "am Nachmittag" - Anlage Js 2; automatisierte Sperrung, Widerspruch und automatisierte Meldung sodann bis 18: 58 Uhr am selben Tag) klar erkennbar, dass eine solche inhaltliche Prüfung des Posts, ...