Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Arzthaftungsprozess die Klage sowohl auf Behandlungsfehler als auch auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht gestützt, kann die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen nicht daraus hergeleitet werden, dass dieser sich zur Wirksamkeit einer Aufklärung äußert, obwohl der zugrunde liegende Beweisbeschluss sich allein auf Behandlungsfehler bezieht.
2. Im Einzelfall kann der Sachverständige sogar gehalten sein, das Gericht von sich aus darauf hinzuweisen, dass dessen Auffassung zur Frage der Aufklärung aus medizinischer Sicht Bedenken begegnet.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Beschluss vom 03.11.2009; Aktenzeichen 6 O 1737/08) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Leipzig vom 3.11.2009 - 6 O 1737/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.144 EUR festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden wegen unzureichender Aufklärung und fehlerhafter Behandlung nach einer am 13.3.2007 erfolgten Knieoperation Das LG hat zunächst Zeugenbeweis erhoben und sodann mit Beschluss vom 7.5.2009 (Bl. 159) die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen PD Dr. W. beschlossen. Der Sachverständige hat sein Gutachten am 20.8.2009 erstattet. Das Gutachten ist dem Kläger am 10.9.2009 zugestellt worden. Mit am 17.9.2009 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger beantragt, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Gegen den ihm am 9.11.2009 zugestellten Beschluss des LG vom 3.11.2009 hat er am 23.11.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat.
Auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO) aber unbegründet. Das LG hat den auf Ablehnung des Sachverständigen PD Dr. W. gerichteten Antrag zu Recht zurückgewiesen.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Ablehnungsantrag allerdings zulässig, insbesondere ist die am 17.9.2009 erfolgte Ablehnung nicht verspätet. Ein Ablehnungsgesuch ist nach § 406 Abs. 2 ZPO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung eines Sachverständigen zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten oder verlängerten Frist eingereicht wird, ist immer dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. Die am Rechtsstreit beteiligten Parteien müssen sich nämlich innerhalb dieser Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und gegebenenfalls in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig ist, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr gegenüber zurückzuführen sind, ist auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Hieraus folgt, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens vorzunehmen, nur um feststellen zu können, ob das Gutachten Mängel enthält, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machen, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (BGH NJW 2005, 1869; OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2001, 469; Senat, Beschl. v. 21.9.2009 - 4 W 948/09n. V.; a.A. allerdings OLG Koblenz OLGReport Koblenz 1998, 470; OLG Köln OLGReport Köln 1995, 147; OLG Naumburg, 10 W 23/01, juris; OLG München OLGReport München 2004, 117; 2003, 58). Vorliegend wurde dem Kläger das Gutachten des Sachverständigen am 10.9.2009 zugestellt, die Ablehnungserklärung erfolgte innerhalb der bis zum 21.9.2009 gesetzten Stellungnahmefrist.
2. Die vom Kläger vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Ablehnung des Sachverständigen und die Beauftragung eines anderen Sachverständigen indes nicht. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch der Befangenheitsantrag stellen maßgeblich darauf ab, aus der Bewertung des Sachverständigen, die vom Kläger behauptete Verkennung eines Morbus Sudeck bei der Patienten sei "haltlos", ergebe sich das stimmige Gesamtbild einer einseitig den Kläger benachteiligenden Begutachtung. Darüber hinaus habe der Sachverständige sich ...