Leitsatz (amtlich)

1. Für den Streitwert einer Deckungsschutzklage ist die volle Verfahrensgebühr nach dem Streitwert des Haftpflichtprozesses auch dann maßgeblich, wenn der Versicherer vorprozessual eine Geschäftsgebühr an den Anwalt des Versicherungsnehmers gezahlt hat.

2. Sachverständigenkosten sind für den Streitwert des Deckungsschutzes dann einzubeziehen, wen sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Dem Gericht, bei dem der Deckungsschutzprozess anhängig ist, kommt insofern ein Prognosespielraum zu, der vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt überprüft werden kann.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 714/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 2.7.2019 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses 28.10.2019 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Höhe des Streitwerts einer Deckungsschutzklage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die XXX im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Skandal. Die Beklagte hat nach Rechtshängigkeit die begehrte Deckungszusage abgegeben. Das Landgericht hat zunächst Sachverständigenkosten in Höhe von 6000,- EUR und eine Einigungsgebühr bei der Bemessung des Streitwerts einbezogen; auf die Beschwerde der Beklagten hat es den Streitwert ohne diese Positionen, allerdings unter Ansatz einer vollen 1,3-Verfahrensgebühr auf 5.561,70 EUR festgesetzt. Die Beschwerde wendet sich nunmehr nur noch gegen den Ansatz der ungeminderten Verfahrensgebühr.

II. Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend auch beim Kläger eine 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 1125,60 EUR zzgl. Umsatzsteuer angesetzt. Die Auffassung der Beklagten, weil sie Deckungsschutz für eine außergerichtliche 1,3 Geschäftsgebühr bewilligt und einen Betrag in Höhe von 1.474,89 EUR geleistet habe, sei die Verfahrensgebühr auch bei der Berechnung des Streitwerts der Deckungsklage nur mit 0,65 zu berücksichtigen, trifft nicht zu. Zwar sind im Verfahren die Gebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV teilweise auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Diese Anrechnungsbestimmung hat - wie sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergibt (vgl. dazu BeckOK-RVG/v. Seltmann, 45. Ed., § 15a Rn. 5; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 15a Rn. 9) - indes auf die Entstehung beider Gebühren dem Grunde nach, die allein für die Berechnung des Streitwerts einer Deckungsschutzklage maßgeblich ist, keinen Einfluss. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte ausweislich des von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreibens vom 19.11.2018 die von ihr ermittelte Geschäftsgebühr bereits vorprozessual ausgeglichen hat. Zwar könnte sie sich deswegen nach § 15a Abs. 2 RVG in der Kostenfestsetzung auf die im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten notwendige Anrechnung berufen, wenn ihr gegenüber beide Gebühren geltend gemacht würden. Dies würde jedoch lediglich dazu führen, dass die an sich entstandene Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung der Geschäftsgebühr erlischt.

Für eine Berücksichtigung der vom Kläger mit 6000,- EUR angesetzten Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen, die im Beschwerdeverfahren als reformatio in peius auch von Amts wegen möglich ist (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2009 - I-24 W 13/09 -, juris), sieht der Senat keine Veranlassung. Im Ausgangspunkt gehen beide Parteien zutreffend davon aus, dass sich der Streitwert einer Deckungsschutzklage gegen die Rechtsschutzversicherung gem. § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG regelmäßig nach den voraussichtlichen Kosten richtet, die durch die gerichtliche oder außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehen und deren Übernahme er verlangt, abzüglich eines zwanzigprozentigen Feststellungsabschlags (so BGH, Beschl. v. 08.03.2006 - IV ZB 19/05, Rn. 5, juris ebenso Beschl. v. 26.10.2011 - IV ZR 141/10, Rn. 4, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2019 - 11 W 24/19 -, juris; vgl. ferner Bauer, NJW 2015, 1329, 1332; Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort Rechtsschutzversicherung). Ob und gegebenenfalls inwieweit dabei, wenn es um die Deckungszusage für eine gerichtliche Auseinandersetzung geht, neben den Gebühren für die Rechtsanwälte beider Parteien (zuzüglich Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleitungen sowie für die Mehrwertsteuer) und den Gerichtsgebühren gerichtliche Auslagen für Zeugen und Sachverständige gemäß dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu berücksichtigen sind, ist umstritten. Laut einer Auffassung sollen diese generell unberücksichtigt bleiben (Harbauer/Schneider, RSV, 9. Aufl., ARB 2010 § 20 Rn. 13, vgl. ferner die Nachweise bei OLG Brandenburg aaO). Die Gegenmeinung stellt darauf ab, ob die Auslagen, speziell Sachverständigenkosten, im Ergebnis einer vom Gericht der Deckungsklage vorzunehmenden Ein...

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