Leitsatz (amtlich)

Die objektive Besorgnis der Befangenheit wegen fehlerhafter Rechtsanwendung ist nur bei besonders groben Verfahrensverstößen zu besorgen, die sich so sehr von einem normalerweise geübten Verfahren unterscheiden und offensichtlich so unhaltbar sind, dass sich dadurch der Eindruck einer auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung einer Partei ergibt.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 2138/19)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 01.04.2020 - Az.: 8 O 2138/19 - wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner greift mit seiner Beschwerde einen Beschluss des Landgerichts Leipzig an, mit dem seine Besorgnis der Befangenheit gegenüber der mit der Hauptsache befassten Vorsitzenden Richterin für unbegründet erklärt wurde. Diese hatte an einem Beschluss mitgewirkt, mit dem einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stattgegeben wurde.

Der Antragsgegner meint, die Richterin habe mit Erlass des Beschlusses ihre Richteramtspflichten verletzt und nimmt zur Begründung Bezug auf die Begründung seines Widerspruchvorbringens mit Schriftsätzen vom 10.01.2020 und 30.03.2020. Zudem habe das Gericht eine Entscheidung nicht als Beschluss erlassen dürfen. Vielmehr habe das Gericht gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen, da es den Antragsgegner nicht vorab angehört habe.

Das Landgericht Leipzig hat das Befangenheitsgesuch mit dem angefochtenen Beschluss vom 01.04.2020 zurückgewiesen.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Ziff. 1, 569 ZPO zulässig, in der Sache hat sie aber keinen Erfolg. Eine Ablehnung der an der Beschlussfassung mitwirkenden Vorsitzenden Richterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig wegen Besorgnis der Befangenheit ist nicht gerechtfertigt.

Das Beschwerdegericht ist an der Entscheidung nicht gehindert, auch wenn das Landgericht kein Abhilfeverfahren gem. § 572 Abs. 1 ZPO durchgeführt hat, sondern kann die hier auch eilbedürftige Sache selbst entscheiden (vgl. BGH, ZIP 2007, 188).

Gemäß § 42 ZPO ist die Besorgnis der Befangenheit eines Richters anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Erforderlich sind objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 14.03.2003, IXa ZB 27/03 - juris). Allerdings ist die Befangenheitsablehnung grundsätzlich kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle, damit sind grundsätzlich weder Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung noch fehlerhafte Entscheidungen ein tauglicher Ablehnungsgrund (BGH, Beschlüsse vom 12.10.2011 - V ZR 8/10 Rn. 7; vom 01.06.2017 - I ZB 4/16 Rn. 15 und vom 20.11.2017 - IX ZR 80/15 Rn. 5, jeweils nach juris). Die Fälle, in denen eine objektive Besorgnis der Befangenheit wegen fehlerhafter Rechtsanwendung in Betracht kommen kann, sind daher auf besonders grobe Verfahrensverstöße beschränkt, die sich so sehr von einem normalerweise geübten Verfahren unterscheiden und dadurch offensichtlich unhaltbar sind, dass sich der Eindruck einer nicht nur sachwidrigen, sondern auf Voreingenommenheit gegenüber einer Partei beruhenden Benachteiligung aufdrängt (BGH, Beschluss vom 10.04.2018 - VIII ZR 127/17 Rz. 6 m. zahlr. Nachw. - juris; OLG Hamm, Beschluss vom 24.01.2018 - II-2 WF 225/17 in MDR 2018, 551 m.w.N.). Ein solcher Fall offensichtlich sachfremder und willkürlicher Verfahrensweise liegt hier nicht vor. Das Landgericht ist auf der Grundlage der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen und der weiteren Anlagen nach entsprechender rechtlicher Prüfung von der Schlüssigkeit des Vorbringens des Antragstellers ausgegangen, auf der Website tripadvisor.de könne der Inhaber eines Restaurant den Eintrag für sich "beanspruchen" und der Antragsgegner, der scheinbar über interne Informationen verfügt habe, habe sich offenbar Zugriff verschafft. Ob die von dem Antragsteller vorgetragenen Indizien ausreichen, um über die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein erforderliche Glaubhaftmachung hinaus den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu beweisen, kann im Widerspruchs- bzw. Hauptsacheverfahren geklärt werden. Der Erlass der Unterlassungsverfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners steht nach § 922 Abs. 1, § 936 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und stellt weder dem Grunde nach noch im Hinblick auf den Sachvortrag des Antragstellers im Streitfall eine sachfremde oder gar willkürliche Verfahrensweise dar. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners hat der Antragsteller nicht nur lediglich Vermutungen angestellt, sondern diese durch den Vortrag von Indizien be...

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