Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Zustellung an den Verteidiger
Leitsatz (redaktionell)
Die Zustellung eines Bußgeldbescheids an den Verteidiger unterbricht die Verjährung nur dann, wenn sich zum Zeitpunkt der Zustellung eine - wie auch immer bezeichnete - schriftliche Vollmacht des Verteidigers bei den Akten befindet.
Verfahrensgang
AG Hohenstein-Ernstthal (Aktenzeichen 9 OWi 263 Js 23083/08) |
Tenor
Das Verfahren wird mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen (§ 467 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Gründe
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die dem Betroffenen vorgeworfene Ordnungswidrigkeit bereits im Zeitpunkt des Urteilserlasses verjährt. Der Bußgeldbescheid vom 06. Mai 2008 hat die Verjährung nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen, da er dem Betroffenen nicht zugestellt worden ist und die Zustellung an den Verteidiger unwirksam war. Eine vom Amtsgericht angenommene gesetzliche Fiktion der Zustellvollmacht nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil sich zum Zeitpunkt der Zustellung an den Verteidiger eine - wie auch immer bezeichnete - schriftliche Vollmacht des Verteidigers nicht bei den Akten befand. Soweit sich das Amtsgericht bei seiner Auffassung auf das OLG Karlsruhe (NStZ 2009, 295) meint stützen zu können, übersieht es, dass sich im dort entschiedenen Fall eine als "außergerichtliche" Vollmacht bezeichnete Vollmachtsurkunde bei den Akten befand und insoweit lediglich fraglich war, ob der im dortigen Verfahren beteiligte Rechtsanwalt diese Vollmacht als "Verteidiger" zur Akte gereicht hatte. Eine gesetzlich fingierte Zustellvollmacht nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG trotz fehlender Vollmacht bei den Akten hat auch das OLG Karlsruhe nicht angenommen. Solches würde auch dem klaren Wortlaut des § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG widersprechen.
Eine rechtsgeschäftliche Zustellvollmacht, welche auch noch nach Zustellung des Bußgeldbescheides zu den Akten gereicht werden könnte (OLG Rostock, NStZ-RR 2003, 336), besaß der Verteidiger vorliegend nicht. Ausweislich der nach der Zustellung des Bußgeldbescheides zur Akte gereichten rechtsgeschäftlichen Vollmacht des Verteidigers (Bl. 47 a d. A.) war dort die Befugnis, Zustellungen entgegen zu nehmen, ausdrücklich ausgeschlossen worden. Im Rahmen einer rechtsgeschäftlich erteilten Verteidigervollmacht ist dies - anders als bei der nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG gesetzlich fingierten Vollmacht - auch zulässig.
Die somit vorliegend eingetretene Verfolgungsverjährung führt zwar nach § 80 Abs. 5 OWiG grundsätzlich nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde; auch wäre eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts angesichts der eindeutigen materiellen Rechtslage und der hierzu ergangenen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung nicht geboten. Der Senat hat jedoch - was auch ohne Zulassung der Rechtsbeschwerde möglich ist - mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden das Verfahren eingestellt, da er vorliegend eine Ahndung für nicht erforderlich hält.
Die Verwaltungsbehörde wird in Zukunft darauf zu achten haben, eine Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger nur dann vorzunehmen, wenn eine schriftliche Verteidigervollmacht sich bei den Akten befindet (§ 51 Abs. 3 OWiG).
Fundstellen
Haufe-Index 2571216 |
StraFo 2010, 35 |