Leitsatz (amtlich)

Die Äußerung, der Betroffene könne nach der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen Vermögenswerte innerhalb der Gruppe, zu der die Gesellschaft gehört, nun "nicht mehr hin- und herverschieben" ist als Meinungsäußerung auch dann geschützt, wen die den Tatsachenkern begründenden Umstände nicht in der rechtlichen Übertragung von Vermögenswerden, sondern allein in der Einräumung von Sonderrechten zugunsten eines Mitgesellschafters bestanden haben.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 1586/19)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 haben Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollten allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 11.000,- EUR festzusetzen.

4. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.2019, 15:00 Uhr wird aufgehoben.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1,2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB verneint. Auch ein Unterlassungsanspruch nach §§ 824, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB kommt nicht in Betracht.

1. Die in der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, die streitgegenständliche Äußerung

"Spätestens nach der jüngsten Finanzierungsrunde ist klar, dass F... nicht mehr die alleinige Kontrolle über seine Firma hat und nicht mehr freihändig Vermögenswerte zwischen A... und seinen Beteiligungsfirmen in der S... hin- und herverschieben kann."

sei keine Meinungsäußerung, sondern stelle eine unwahre Tatsachbehauptung dar, teilt der Senat nicht.

a) Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen erfolgt nach den in Rechtsprechung und Literatur zu §§ 186, 187 StGB entwickelten Grundsätzen (vgl. hierzu etwa Löffler/Ricker Handbuch des Presserechts, 5. Aufl., § 44 Rn. 9 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist. Maßgeblich ist insoweit das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Adressaten; auszugehen ist vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann; bei der Deutung sind daher der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind (Senat, Urteil vom 27. November 2018 - 4 U 1282/18 -, Rn. 13, juris). Dabei dürfen allerdings aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich dabei auch auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG geschützt (st. Rspr, vgl. nur BGH, Urteil vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08 -, juris m.w.N.; Senat, Beschluss vom 16. Januar 2018 - 4 W 1066/17 -, Rn. 3, juris m.w.N.)

b) Dies ist auch vorliegend der Fall. Die streitgegenständliche Äußerung ist im Gesamtkontext des Artikels erkennbar darauf ausgerichtet, die zuvor unter der Überschrift "A...-Discounter: Investor übernimmt Mehrheit" mitgeteilten Tatsachen zusammenzufassen und zu bewerten. Derartige Schlussfolgerungen sind regelmäßig als Meinungsäußerungen bis zur Grenze der Schmähkritik oder der Formalbeleidigung geschützt. In der geänderten Fassung des Artikels (AS 11) erfährt der Leser, dass die "Familie um T... H... über ihre Beteiligungsfirma ZZZ" bereits im Februar 2018 für 60 Mio. EUR Beteiligungen an der A... (Holding) GmbH erworben hatte und die...

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