Leitsatz (amtlich)
Die Aussetzung eines Zivilverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat erfasst grundsätzlich nicht zugleich das Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die Aussetzung nach § 149 ZPO kann in Ausübung richterlichen Ermessens auch auf einen früheren Zeitpunkt als den der Beendigung des Strafverfahrens beschränkt werden (hier: Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen).
Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 04.11.2014; Aktenzeichen 9 O 1233/14) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Beklagten gegen den Beschluss des LG xxx vom 4.11.2014 (9 O 1233/14) werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Aussetzung nicht zugleich das Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfasst.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 25.000 EUR in Anspruch. Sie sollen die Kläger - aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses zusammenwirkend - durch Täuschung veranlasst haben, eine Kapitalanlage in Form des Erwerbs von Orderschuldverschreibungen der F zu tätigen, die nicht werthaltig gewesen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses und die Klageschrift vom 15.5.2014 Bezug genommen.
Die Staatsanwaltschaft xxx führt gegen die Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Kapitalanlagebetruges und Betruges (100 Js 7387/12), im Rahmen dessen sich die Beklagten seit ihrer Verhaftung am 5.11.2013 in Untersuchungshaft befinden.
Mit Beschluss vom 4.11.2014 hat das LG das Verfahren gem. § 149 Abs. 1 ZPO bis zur Anklageerhebung in diesem Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Aussetzung sei im Hinblick auf die umfangreichen Ermittlungen im laufenden Ermittlungsverfahren sachgerecht. Insbesondere sei ein Gutachten in Auftrag gegeben worden, welches über die wirtschaftliche Situation der von den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gesteuerten Gesellschaften und die Kenntnis der Beschuldigten davon Aufschluss bringen solle. Die im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse könnten im Zivilprozess verwertet werden. Der Vorteil einer etwaigen Klärung des Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren überwiege den Nachteil einer etwaigen Verzögerung des Zivilprozesses. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Ermittlungsverfahren zügig geführt werde, weil sich die Beschuldigten mit einer Ausnahme in Untersuchungshaft befänden. Die Aussetzung umfasse auch das Verfahren des Beklagten zu 1) zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Gegen den ihnen am 6. und 10.11.2014 zugestellten Beschluss haben die Beklagten am 10. und 24.11.2014 jeweils sofortige Beschwerde eingelegt. Sie sind der Ansicht, die Voraussetzungen des § 149 Abs. 1 ZPO lägen nicht vor. Aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergebe sich insbesondere nicht, auf der Grundlage welcher konkreten Umstände das LG die - in seinem Ermessen stehende - Abwägungsentscheidung zwischen der Fortsetzung des Rechtsstreits und dessen Aussetzung getroffen habe. Unabhängig davon sei die Aussetzung des Prozesskostenhilfeverfahrens unzulässig.
Das LG hat den sofortigen Beschwerden mit Beschluss vom 12.11.2014 nicht abgeholfen und dem Senat das Verfahren zur Entscheidung vorgelegt.
Die Kläger sind den sofortigen Beschwerden entgegengetreten.
II. Die nach § 252 ZPO statthaften sofortigen Beschwerden sind gem. §§ 567, 569 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
Sie haben in der Sache nur insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss vom 4.11.2014 nach seinen Gründen zugleich die Aussetzung des Prozesskostenhilfeverfahrens erfassen soll.
1. Die Aussetzung des Verfahrens gem. § 149 ZPO wegen des Verdachts einer Straftat, deren Ermittlung für den Entscheidung des Zivilverfahrens von Einfluss ist, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
a. Es liegt im nur auf Ermessensfehler zu überprüfenden Ermessen des LG, ob es im Hinblick auf ein schwebendes Strafverfahren die Aussetzung des Zivilprozesses anordnet (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2005 - II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289; Beschl. v. 17.11.2009 - VI ZB 58/08, NJW-RR 2010, 423). Der Beschluss muss in seiner Begründung ausreichende Erwägungen zur Ermessensentscheidung enthalten, weil nur dann ihre Richtigkeit für die Parteien des Rechtsstreites und für das Beschwerdegericht nachprüfbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17.11.2009, a.a.O.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.1.2010 - 12 W 62/09, NJW-RR 2010, 787; OLG Hamm, Beschl. v. 2.1.2012 - 6 W 74/11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.6.2012 - 19 W 26/12, NJW-RR 2013, 184). Erforderlich ist danach eine auf die konkreten Umstände des Falles bezogene Abwägung, für welche das Gericht die streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter oder einfacher geklärt werden können, konkret darstellen muss (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.7.2006 - 4 W 60/06; OLG München, Beschl. v. 18.3.2008 - 10 W 1000/08, NJW-R...