Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vertragsstrafe von 0,2 % für jeden Tag des Zahlungs- und Leistungsverzuges verstößt gegen den deutschen ordre public.

2. Spricht ein ausländisches Schiedsgericht eine solche Vertragsstrafe einer Schiedspartei zu, so führt der Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht dazu, dass der Schiedsspruch im Inland nicht vollstreckt werden kann.

3. Der Schiedsspruch ist im Inland in der Höhe für vollstreckbar zu erklären, die von der deutschen Rechtsordnung gerade noch hingenommen werden kann (Anschluss zu BGH I ZR 168/05, Urteil vom 17.7.2008, dort für deutsche Vertragsstrafen).

4. Ein Verzugsstrafzins von 0,1 % pro Tag ist gerade noch hinnehmbar.

 

Tenor

I. Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts bei der Wirtschafts- und Agrarkammer der Tschechischen Republik vom 10.07.2009 ist vollstreckbar in folgendem Umfang:

Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin zu bezahlen:

a) 78.816 EUR

b) eine Vertragsstrafe von 0,1 % täglich aus 38.095 EUR ab 1.4.2008 bis 30.12.2009 abzüglich durch Aufrechnung bereits getilgter 8.000 EUR,

c) 271.718 CZK Schiedsgerichtsgebühren abzüglich durch Aufrechnung bereits getilgter 35.723 CZK,

d) 145.000 CZK Auslagen des Schiedsgerichts.

II. Der weitergehende Antrag der Schiedsklägerin, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, wird ebenso zurückgewiesen wie der Antrag des Schiedsbeklagten, den Schiedsspruch betreffend die Widerklage für vollstreckbar zu erklären.

III. Die Kosten dieses Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Dieser Beschluss ist vollstreckbar.

V. Der Gegenstandswert ist 209.933,41 EUR.

 

Gründe

Der Schiedsbeklagte hatte für die Schiedsklägerin den Alleinvertrieb für Deutschland von deren Mühlen und Walzwerken übernommen. Die Schiedsklägerin lieferte dem Schiedsbeklagten 2004 bis 2006 13 Mühlen und Walzwerke für insgesamt 421.769 EUR. Der Schiedsbeklagte bezahlte diese Maschinen zögerlich. Die Schiedsklägerin verklagte ihn daraufhin vor dem vertraglich vereinbarten Schiedsgericht der Tschechischen Wirtschafts- und Agrarkammer in Prag auf Zahlung von

  • 38.095 EUR restliche Kaufpreise aus fünf Lieferungen zwischen dem 20.09. und 05.11.2005,
  • 102.445 EUR Vertragsstrafzinsen von 0,2 % pro Tag aus den genannten Kaufverträgen bis einschließlich 31.03.2008,
  • 0,2 % Vertragsstrafzinsen aus den 38.095 EUR vom 01.04.2008 an,
  • 55.187 EUR Vertragsstrafzinsen i.H.v. 0,2 % pro Tag aus verspäteter Bezahlung der Kaufpreise aus acht weiteren Kaufverträgen zwischen dem 15.10.2004 und dem 30.04.2006.

Der Schiedsbeklagte verteidigte sich mit Gewährleistungsansprüchen, die ihm ein Zurückbehaltungsrecht für den Kaufpreis gegeben hätten und mit einer Widerklage über 56.000 EUR, weil die Schiedsklägerin sich geweigert habe, sieben Maschinen ihm zu liefern, die er noch vor Ablauf seines Alleinvertriebsrechts für Deutschland bestellt habe; pro Maschine seien ihm 8.000 EUR Gewinn entgangen.

Das Schiedsgericht hat zwei Zeugen der Schiedsklägerin dazu gehört, welche Gebrauchsanleitungen und Konformitätserklärungen die Schiedsklägerin den Maschinen beigegeben habe, ob sie den Schiedsbeklagten gemahnt habe, wie er seine Zahlungsrückstände erklärt habe und wie das Protokoll vom 07.11.2006 zustande gekommen sei, in welchem Schiedsklägerin und Schiedsbeklagter gemeinsam die Zahlungsrückstände des Schiedsbeklagten festgestellt, weitere Lieferung und Verzicht auf Strafzinsen in Aussicht genommen haben, falls der Schiedsbeklagte die Rückstände von seinerzeit rund 76.000 EUR sowie rund 57.000 EUR für drei neue Mühlen bis 31.12.2006 bezahlt haben würde (Anlage 5 zum Antragstellerschriftsatz vom 3.3.2010).

Das Schiedsgericht hat den Schiedsbeklagten verurteilt zur Zahlung von

  • 38.095 EUR restliche Kaufpreise,
  • 102.445 EUR Vertragsstrafzinsen aus den dazugehörigen Kaufverträgen und
  • 55.187 EUR Vertragsstrafzinsen aus acht weiteren Kaufverträgen.

Das Schiedsgericht hat als materielles Recht das internationale Kaufrecht des CISG angewandt, festgestellt, dass der Schiedsbeklagte nicht innerhalb angemessener Frist fehlende Papiere und Rost gerügt habe und ihm deswegen keine Gewährleistungsrechte zuerkannt.

Das Schiedsgericht hat über die Widerklage vom 21.04.2009 mündlich verhandelt. Der Schiedsbeklagte hatte nur für eine Bestellung Beweis angetreten durch schriftliche Unterlagen. Der Schiedsbeklagte erhielt die Widerklageerwiderung am 15.04.2009 als tschechische E-Mail und am Tag der mündlichen Verhandlung eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn in deutscher Übersetzung. In der Widerklageerwiderung bestritt die Schiedsklägerin verbindliche Bestellungen und berief sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Zahlungsverzugs des Schiedsbeklagten.

Auf Frage des Schiedsgerichts, ob der Schiedsbeklagte weiteren Beweis für seine Widerklage antreten wolle, bat der Schiedsbeklagte um Frist zur Stellungnahme zur Widerklageerwiderung. Er beruft sich hilfsweise darauf, dass nach der Mail vom 01.12.2006, die Schiedsklägerin werde keine Maschinen mehr liefern, weitere Bestellungen überflüssig gewesen seien...

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