Leitsatz (amtlich)
1. Hat erstinstanzlich der Einzelrichter unter Verstoß gegen § 348a Abs. 1 Nr. 2a ZPO in einer Pressesache entschieden, kann dies im Abhilfeverfahren durch Übernahme in die Kammerzuständigkeit geheilt werden, wenn aus dem dort erfolgten Beschluss eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen erkennbar wird.
2. Eine originäre Einzelrichterzuständigkeit beim Beschwerdegericht besteht dann nicht.
3. Der Schutz gegen die entstellende Wiedergabe einer Äußerung besteht auch gegenüber inhaltlich unzutreffenden Paraphrasierungen.
4. Bei der Wiedergabe einer mehrdeutigen Äußerung ist eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Zitierten dann nicht gegeben, wenn die Paraphrasierung eine zumindest vertretbare Deutung und einen Interpretationsvorbehalt enthält.
5. Ein solcher Interpretationsvorbehalt kann auch darin bestehen, dass die Originaläußerung zunächst wiedergeben und anschließend in eigenen Worten zusammengefasst wird.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen EV 3 O 1426/23) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 24.7.2023 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 3.8.2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerinnen auf Unterlassung ihn betreffender Äußerungen in der Sendung "m..." vom 23.6.2023 in Anspruch. Er ist seit Oktober 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit Beginn der 20. Wahlperiode u.a. Energiepolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die Antragsgegnerin zu 2. trägt ausweislich des Abspanns die inhaltliche Verantwortung für die streitgegenständliche Sendung "m...", die am 21.06.2023 zum ersten Mal im Fernsehen (ARD) ausgestrahlt wurde und seither in der "ARD-Mediathek" abrufbar ist, für die laut Impressum die Antragsgegnerin zu 1. die Gesamtverantwortung trägt.
In der streitgegenständlichen Sendung wurde u.a. mit dem Bundessprecher der AfD, T... C..., das Verhältnis dieser Partei zu Russland insbesondere nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine thematisiert. Die Moderatorin äußerte sich dort zwischen Min. 40:35 und 41:17 zunächst wie folgt:
"Nee, Stopp. Jetzt müssen Sie uns die Gelegenheit geben, trotzdem Sie eins nach dem anderen nochmal zu sortieren und ich bleibe nochmal dabei und frage nach dem Verhältnis zu Russland, weil ich finde, dass wir da ein bisschen zu schnell drüber weggegangen sind. Es gibt einen Vorwurf, der kommt vom Verfassungsschutzpräsidenten, der sagt, dass eben Teile der AfD sehr stark von Moskau beeinflusst sind und russische Narrative weiterverbreiten. Gelistet werden eben neben Ihrem Besuch in der Botschaft auch Auftritte, die AfD-Mitglieder in Russland oder im russischen Fernsehen hatten. Damit wir wissen, wovon wir reden, wollen wir einen dieser Auftritte zeigen. Das ist nach Kriegsbeginn, das ist der Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré [= der Antragsteller]. Er war Anfang dieses Jahres im Februar in einer russischen Talkshow und hat Folgendes gesagt."
In dem folgenden Einspieler wird der Antragsteller als Gast in einer Talkshow des russischen Fernsehens gezeigt. Sein auf Deutsch wiedergegebenes Statement (bei etwa Min. 41:18 bis Min. 41:23 der Sendung) "Die Lieferung schwerer Waffen - das wollen die Menschen in Deutschland in großen Teilen nicht." Ist aufgrund der darüber gesprochenen russischen Übersetzung nur in Teilen zu verstehen, ist jedoch auf Deutsch untertitelt. Im unmittelbaren Anschluss fasst die Moderatorin M... die Aussage des Antragstellers wie folgt zusammen:
"So, man muss dazu festhalten, dass zu diesem Zeitpunkt nicht die Mehrheit der Deutschen gegen Waffenlieferung war, das war also etwas Falsches, was der Kollege dort gesagt hat. Hat der Verfassungsschutz einen Punkt, dass Sie russische Narrative verbreiten?"
Wegen dieser Äußerung, sowie des im weiteren Verlauf der Diskussion gefallenen Äußerungsfragments "Dass die Mehrheit der Deutschen gegen Waffenlieferung ..." hat der Antragsteller die Antragsgegnerinnen erfolglos abgemahnt. Das Landgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Die zusammenfassende Äußerung der Moderatorin sei nach dem Verständnis des Durchschnittsempfängers als richtig anzusehen. Der Antragsteller habe nach diesem Verständnishorizont selbst zum Ausdruck gebracht, dass die Menschen in Deutschland zum überwiegenden Teil die Lieferung schwerer Waffen nicht wollten; nichts Anderes habe die Moderatorin zum Ausdruck gebracht.
Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Antragsteller zum einen dagegen, dass die ablehnende Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen wurde. Das Landgericht habe im Übrigen nicht berücksichtigt, dass die Moderatorin ihn mit der streitgegenständlichen Äußerung zitiert habe. Nach allgemeiner Auffassung komme es insofern gerade nicht auf das Verständnis des Durchschnittsrezipienten, sondern allein auf den Willen des Zitierten an....